Die Notenbanken haben es nicht eilig, die Zinsen zu senken

Senken die Notenbanken bald die Zinsen oder nicht? Diese Frage beschäftigt nicht nur die Anleger an der Börse. Auch für Politik, Wirtschaft und die Privathaushalte ist die Antwort von großer Bedeutung, denn mit ihren Zinsentscheidungen bestimmen die Zentralbanken darüber, wie freigiebig oder restriktiv die Geschäftsbanken bei der Kreditvergabe agieren.

Im Frühjahr 2022 endete der für die Schuldner paradiesische Zustand der niedrigen und zum Teil negativen Zinsen. Seitdem stiegen die Zinssätze zuerst in den USA und später auch in der Eurozone von 0,25 auf 5,50 Prozent an. Geld ist damit für die lange Zeit von niedrigen Zinsen verwöhnten Konsumenten und Unternehmen wieder sehr teuer geworden.

In den letzten Wochen ist die Hoffnung auf eine schnelle Zinswende deutlich gesunken. Ein wesentlicher Grund für die Zurückhaltung der Notenbanken stellt die Inflation dar. Sie hatte die Zentralbanken zum Ende der Coronazeit vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt, als man zunächst glaubte, der Preisanstieg sei nur vorübergehender Natur und man können durch ihn hindurchschauen.

Die hohe Inflation bleibt auch weiterhin ein Thema

Diese Blamage wirkt auch heute noch nach, denn es steht nicht mehr und nicht weniger auf dem Spiel als die Glaubwürdigkeit von Federal Reserve Bank, EZB und anderen führenden Notenbanken. An ihr hängt aber letztlich der Außenwert von Euro und US-Dollar. Denn als in den letzten Jahren massiv aufgeblähte Fiat-Währungen ist das Papiergeld durch nichts anderes mehr gedeckt als durch das Vertrauen der Geldbenutzer in die Werthaltigkeit des Geldes.

Ist dieses Vertrauen zerstört, gibt es anschließend kein Zurück mehr. Deshalb ist verständlich, dass die Notenbanken vorsichtig sind. Grund zur Vorsicht ist auch von anderer Seite angebracht, denn die Inflation erweist sich als hartnäckiger als zunächst gedacht. Aktuell liegt sie in den USA bei 3,5 Prozent und stagniert auf diesem Niveau bereits seit Juni 2023.

Keine Entspannung ist von den Energiepreisen zu erwarten. Die OPEC kürzt ihre Produktion und ist sichtlich darum bemüht, die Preise hoch zu halten. Auch der Strom kostet wieder mehr Geld als im Vorjahr. Hier liegt der Anstieg über die letzten zwölf Monate bei fünf Prozent. In der gleichen Größenordnung bewegten sich mit einem Anstieg von 5,7 Prozent die Mieten im letzten Jahr in den USA nach oben.

Dass die Federal Reserve Bank vor diesem Hintergrund ihre Zinsen schnell wieder senkt, ist unwahrscheinlich, denn die US-Wirtschaft läuft gut und eine Rückkehr der hohen Inflationszahlen der jüngeren Vergangenheit ist vermutlich das Letzte, was Jerome Powel und seine Kollegen innerhalb der FED gerade sehen möchten.

Auch der Arbeitsmarkt erfordert keine Zinssenkungen

Während die Europäische Zentralbank im Euroraum allein für die Geldwertstabilität, also das Niedrighalten der Inflation, zuständig ist, soll sich die US-Notenbank auch um Vollbeschäftigung am Arbeitsmarkt kümmern. Diese ist allerdings im Moment gegeben, denn der US-Arbeitsmarkt signalisiert momentan nicht, dass eine Wende in der Zinspolitik der Federal Reserve Bank notwendig ist.

Die US-Arbeitslosenquote liegt momentan bei niedrigen 3,8 Prozent, was mittlerweile Vollbeschäftigung bedeutet, denn arbeitslos sind nur noch die Menschen, die ohnehin keinen Job mehr finden werden. Ob diese Annahme der Ökonomen zutreffend ist, sei einmal dahingestellt. Für die FED bedeuten diese Zahlen jedoch, dass ein Drehen an der Zinsschraube nicht zwingend erforderlich ist.

Gegen eine rasche Zinssenkung sprechen auch die 303.000 neuen Jobs, die außerhalb der Landwirtschaft im März neu geschaffen wurden. Erwartet hatten die Analysten im Vorfeld nur 200.000 neue Stellen. Weil gleichzeitig die Löhne im März um 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat anstiegen, ist die Gefahr einer beginnenden Lohn-Preisspirale für die US-Notenbank noch lange nicht gebannt.