Droht wegen des Ukraine-Kriegs eine Pleitewelle in der Logistikbranche?

Dass die Kämpfe in der Ukraine und die ihnen folgenden Sanktionen auch in den Ländern der Europäischen Union eine Pleitewelle auslösen könnten, haben bislang nur die wenigsten Bürger und Politiker auf dem Schirm. Dennoch ist diese Gefahr sehr real wie Dirk Engelhardt, der Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) gegenüber der DPA erklärte.

Es sind nicht nur die hohen und seit dem Beginn des russischen Einmarsches in die Ukraine nochmals kräftig gestiegenen Dieselpreise, welche der Branche in diesen Tagen massiv zusetzen. Gravierend ist auch das Personalproblem, denn zahlreiche LKW-Fahrer, die für internationale Speditionen arbeiten, stammen aus der Ukraine.

Ihnen droht nun die Einberufung zum ukrainischen Militär, denn das angegriffene Land macht allgemein mobil und sucht seine Verteidigungsfähigkeit, wo es nur kann, zu stärken. Selbst wenn die einberufenen Fahrer nicht gleich ins Gefecht geschickt, sondern mit der Durchführung von militärischen Transporten beauftragt werden, hätte ihre Einberufung nicht nur für sie persönlich erhebliche Konsequenzen.

Eine ganze Branche droht stillzustehen

Wie angespannt die Lage schon in Kürze sein könnte, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass über 100.000 ukrainische Lkw-Fahrer im internationalen Warenverkehr tätig sind. Beschäftigt sind sie weniger in Deutschland, weil die Fahrer hier keine Arbeitserlaubnis erhalten, wohl aber in Polen und Litauen.

Nach Angaben des polnischen Schwesterverbandes des BGL kommt jeder dritte Lkw-Fahrer, der für polnische oder litauische Transportunternehmen und Speditionen im internationalen Verkehr unterwegs ist, aus der Ukraine. Ihr Ausfall könnte auch die Warentransporte für die deutsche Industrie empfindlich treffen, denn polnische und litauische Spediteure kommen in Deutschland auf einen Marktanteil von 20,5 Prozent, sodass in mindestens sieben von 100 Lastwagen, die in Deutschland unterwegs sind, ein Ukrainer am Steuer sitzt.

Erste Transporte mussten deshalb bereits verschoben oder sogar ganz abgesagt werden. Da der Branche laut BGL ohnehin 60.000 bis 80.000 Lkw-Fahrer fehlen, würde ein Ausfall der ukrainischen Fahrer ein bestehendes Loch nochmals empfindlich vergrößern. Oder um es mit den Worten des GBL-Vorstandssprechers zu sagen: „Es droht schlicht und ergreifend eine Insolvenzwelle im deutschen Transportlogistik-Gewerbe – dann wäre die Versorgung von Bevölkerung und Wirtschaft in Gefahr.“