Darf man das noch sagen?

Viele Menschen in unserem Land haben derzeit das Gefühl, dass die Demokratie in großer Gefahr ist oder zumindest Schaden nimmt. Während der Coronazeit wurden wichtige durch die Verfassung geschützte Grundrechte einfach ignoriert und wenn in Fernsehshows von den Teilnehmern immer wieder gefragt wird „darf man das heute eigentlich noch sagen?“, dann ist auch die persönliche Meinungsfreiheit arg unter Beschuss geraten.

Allein die Tatsache, dass diese Frage immer wieder im öffentlichen Raum gestellt wird, sollte für alle, die unsere Demokratie schützen wollen, ein Alarmsignal erster Güte sein. Denn eine Selbstverständlichkeit wird plötzlich unter Vorbehalt gestellt und es wird damit ausgedrückt, dass es zumindest opportun ist, nur eine bestimmte Meinung, die von vielen geteilt wird, öffentlich kundzutun.

Unbemerkt von vielen wird damit jedoch die Schwelle zum Totalitarismus bereits überschritten, denn dieser zeichnet sich im Gegensatz zur Demokratie dadurch aus, dass nur eine einzige Meinung oder Sichtweise als die allein gültige dargestellt wird. Wer diese Ansicht nicht vertritt, stellt sich automatisch außerhalb der Gesellschaft und muss fürchten, von dieser möglicherweise bekämpft zu werden.

In Demokratien sind Streitgespräche lästige Notwendigkeiten

Der Demokratie förderlich ist dies keineswegs, denn es zählt am Ende auch hier der Inhalt und nicht allein die Form. Wenn zu einer Diskussionsrunde nur Menschen zusammenkommen, die mehr oder weniger die gleiche Meinung vertreten, dann ist das für einen Parteitag vielleicht noch angebracht, für eine Talkshow, die für sich in Anspruch nimmt, ein Spiegelbild der öffentlichen Meinung zu sein, jedoch nicht.

Ein wesentliches Element der Demokratie ist es, das unterschiedliche Positionen zu Inhalten zugelassen und nicht sanktioniert werden. Mehr noch: Es darf und soll um diese Inhalte gestritten werden. Das Streitgespräch ist gewünscht, weil es viele verschiedene Sichtweisen und Aspekte zum Vorschein bringt. Werden sie bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt, steigt die Chance, die bessere Lösung für eine gegebene Problemlage zu finden.

Von diesem sehr segensreichen, aber leider immer auch etwas anstrengenden Vorzug der Demokratie verabschiedet sich unsere Gesellschaft immer mehr. Das fördert zunächst die Sprachlosigkeit, später das Unverständnis und schließlich die Spaltung der Gesellschaft. Wenn diese nicht gewünscht ist, wird es Zeit, etwas zu ändern.