Rente mit 68: Erst Empörung, dann nüchterne Analyse der Fakten?

Eine sachliche Diskussion um die Zukunft des deutschen Rentensystems tut Not. Sie wäre angebracht und ist dennoch so unwahrscheinlich wie anhaltender Schneefall im Hochsommer, denn es ist Wahlkampf im Land und das sind traditionell die Zeiten, in denen kein Politiker als derjenige erscheinen möchte, der dem Wahlvolk höhere Abgaben oder niedrigere Leistung zumuten möchte.

Die Wissenschaftler, die vor einigen Tagen mit ihren Thesen an die Öffentlichkeit getreten sind, haben eigentlich nur das gemacht, was man von Wissenschaftlern erwarten sollte: Sie haben nüchtern die Fakten auf den Tisch gelegt. Das ist ihre Aufgabe, dafür werden sie bezahlt.

Anschließend ist allerdings wieder das passiert, was unser Land schon seit einiger Zeit auszeichnet, wenn auch nicht unbedingt im Guten. Eine Empörungswelle ging durch Land und so wie man in der Antike die Überbringer schlechter Nachrichten geköpft hat so als könne man mit dem Melder auch die Meldung an sich aus der Welt schaffen, wurden in medialen Schauprozessen Vorverurteilungen ausgesprochen.

Negative Botschaften sind für niemanden eine angenehme Angelegenheit. Der Versuch, sich ihrer zu entledigen und sich lieber anderweitig abzulenken, ist daher durchaus verständlich. Eine Lösung des Problems ist er allerdings nicht. Und so wie das Problem Rente gelagert ist, wird es eher noch größer als kleiner, wenn man sich nicht rechtzeitig und richtig mit ihm auseinandersetzt.

Ein nüchterner Blick auf die Fakten wird bewusst vermieden

Die ersten Lösungsmuster der Politik folgten den altbekannten Wegen. Hubertus Heil (SPD) will auch die Selbstständigen in die Rentenkasse einzahlen lassen, denn je mehr Menschen in die Kasse einzahlen, desto stabiler sei diese, erklärte der Bundesarbeitsminister.

Kurzfristig betrachtet hat der Minister durchaus recht. Auf lange Sicht wird ein solcher Lösungsweg die Stabilität des Systems allerdings nicht entscheidend verbessern, denn Hubertus Heil hat vergessen zu erwähnen, dass die neuen Beitragszahler von heute, die zusätzlichen Rentenempfänger von morgen sein werden.

Das Problem des demographischen Wandels wird so wieder einmal für ein paar Jahre nach hinten geschoben, aber eine echte Lösung sieht anders aus. Dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass Selbstständige als Beitragszahler in der Regel höhere Einkommen erzielen und damit auch höhere Rentenansprüche aufbauen.

Wenn ihre durchschnittliche Lebenserwartung dann auch noch höher ist als die eines klassischen Industriearbeiters, hat die leidgeprüfte Rentenversicherung endgültig ein Problem. Deshalb darf sich die Diskussion nicht nur auf den altbekannten Pfaden bewegen, sondern muss so gestaltet sein, dass sich auch neue Lösungsvorschläge und Ideen entwickeln können.

Diese Offenheit im Denken und in der Diskussion ist zunächst das Wichtigste, was in diesen Tagen erreicht werden muss. Ohne sie wird es weder eine vernünftige noch eine dauerhaft tragfähige Lösung geben können. Ob wir Deutschen das bei der herrschenden Klima-, Corona- und Sonstwashysterie noch schaffen?