Ein sofortiger Lieferstopp für russisches Gas stellt die gesamte deutsche Industrie infrage

An der Universität Mannheim ist Professor Tom Krebs mit seinen Mitarbeitern der Frage nachgegangen, welche Folgen ein sofortiger Lieferstopp für russisches Gas für Deutschland hätte. Die vorgelegten Zahlen sind ernüchternd, denn das fehlende Gas würde die deutsche Wirtschaft härter treffen als die Corona-Pandemie oder die Finanzkrise.

Eines der Probleme sind die deutschen Gasspeicher. Sie sind nach Angaben der Bundesnetzagentur so gut wie leer. Stoppt Deutschland den Bezug russischen Gases oder dreht Wladimir Putin als Reaktion auf die deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine Deutschland den Gashahn zu, muss die deutsche Wirtschaft in den ersten zwölf Monaten Einnahmeverluste zwischen 114 und 286 Milliarden Euro verkraften.

Das entspricht einem Rückgang der Wirtschaftsleistung zwischen drei und acht Prozent. Besonders stark betroffen sind sechs Schlüsselbranchen: die Chemie, hier insbesondere Grundstoffchemie, die Metallerzeugung und Metallbearbeitung einschließlich der Gießereien, die Glas- und Keramikindustrie, Steine und Erden, die Nahrungsmittelindustrie, das Papiergewerbe sowie der Maschinenbau und der Fahrzeugbau.

Deutschlands gesamte industrielle Grundstruktur steht zur Disposition

Für diese sechs Industriezweige ist das Erdgas ein essenzieller und nur sehr schwer zu ersetzender Faktor im Produktionsprozess, warnt die Studie von Tom Krebs. Weil wichtige Grundindustrien betroffen sind, wird der Produktionsstillstand anschließend jedoch nicht auf diese Bereiche beschränkt bleiben, sondern in der gesamten Wirtschaft weite Kreise ziehen.

Geht beispielsweise die Produktion in der Grundstoff- oder Metallindustrie zurück oder steht gar ganz still, führt das sehr schnell auch zu Unterbrechungen in den nachgelagerten Produktionsketten. Auch die sozialen Folgen sind nicht zu unterschätzen, denn die höheren Preise für Energie und Nahrungsmittel führen jetzt schon dazu, dass zahlreiche Verbraucher an anderen Stellen sparen müssen.

Ist Gassparen daher die Lösung? Nein, sagt Johannes Teyssen, der ehemalige E.on-Chef, und fordert, man müsse den Menschen endlich die Wahrheit sagen. Es geht nicht um kleine Einschnitte wie weniger heizen und vermiedene Autofahrten, sondern um einen weitgehenden Zusammenbruch der gesamten industriellen Grundstruktur in Deutschland.