Die hohen Strompreise drohen Italiens Aufschwung abzuwürgen

Italiens Bürgermeister ziehen im wahrsten Sinne des Wortes den Stecker. Sie wissen nicht mehr, wie sie die stark gestiegenen Strompreise bezahlen sollen. Deshalb wird inzwischen abgeschaltet, was in der Nacht nicht mehr unbedingt beleuchtet werden muss. Brunnen und Plätze, die bis vor kurzem nachts noch kunstvoll ins Licht gesetzt wurden, verschwinden nun nach dem Einsetzen der Dämmerung im Dunkel.

Der italienische Städtebund schätzt, dass die massiv gestiegenen Stromkosten ein weiteres Loch von 550 Millionen Euro in die ohnehin von der Pandemie stark gebeutelten Haushalte der Städte und Gemeinden reißen. Bolognas Bürgermeister Matteo Lepore warnte die Regierung in Rom bereits, dass viele kleine Gemeinden pleitegehen werden, sollte ihnen nicht ein Hilfsfonds unter die Arme greifen.

Die Städte und Gemeinden sind nicht die einzigen, die klagen und sich hilfesuchend an die Regierung in Rom wenden. Einen verzweifelten Hilferuf erhielt Mario Draghi bereits vom Verband der italienischen Keramikindustrie und den Spitzen der großen Gewerkschaftsbünde.

Energiekosten steigen innerhalb eines Jahres um 450 Prozent

Obwohl sie selbst Weltmarktführer sind und obgleich die Auftragsbücher voll sind, stecken viele Betriebe der Fliesen- und Sanitärbranche derzeit in der Klemme, denn durch die exorbitant gestiegenen Energiekosten können auch sie nicht mehr kostendeckend produzieren. Der Trend geht auch hier zum Abschalten, denn je mehr Fliesen die Hersteller brennen, desto größer werden am Ende nur ihre Verluste.

Die Energiekrise im Land ist die schlimmste seit den 1970er Jahren und sie droht mittlerweile den Aufschwung der vergangenen Monate abzuwürgen. Gestiegen sind die Energiepreise in Italien innerhalb von nur zwölf Monaten um 450 Prozent. Experten schätzen, dass die Industrieunternehmen, die im Jahr 2019 rund acht Milliarden Euro zur Finanzierung ihrer Energiekosten aufgewendet haben, in diesem Jahr 37 Milliarden berappen müssen.

Für Italiens Wirtschaft sind diese Schätzungen nicht ohne Brisanz, denn schon immer waren die hohen Stromkosten im Land ein strukturelles Handicap für die an sich starke Exportwirtschaft. Im Vergleich zu ihren europäischen Konkurrenten zahlen Italiens Fliesenhersteller beispielsweise 30 Prozent mehr für den benötigten Strom.

Weil in Italien rund die Hälfte des Stroms in Gaskraftwerken erzeugt wird, treffen die besonders stark gestiegenen Gaspreise die Wirtschaft des Landes noch stärker als es in Deutschland oder Frankreich der Fall ist, wo nur 17 bzw. sieben Prozent des Stroms in Gaskraftwerken erzeugt werden.