Der chinesische Immobiliensektor wandelt sich und mit ihm die Weltwirtschaft

Den von einer Insolvenz bedrohten chinesischen Immobilienentwickler China Evergrande drückt eine Gesamtverschuldung von über 300 Milliarden US-Dollar. Diese Summe entspricht dem ägyptischen Bruttoinlandsprodukt und ist größer als das chilenische BIP.

Bis vor kurzem funktionierte das Geschäftsmodell nicht nur bei China Evergrande selbst, sondern auch bei allen anderen Entwicklern in der Branche und alle Beteiligten schienen zufrieden. Was hat sich seitdem geändert? Im Grunde nur eines: Die Einschätzung der KPC zur Zweckmäßigkeit des Modells.

Immer stärker stößt sich die Führung der kommunistischen Partei daran, dass Wohnungen leer stehen, weil sie als Spekulationsobjekt betrachtet werden und für die einfachen Chinesen nicht mehr bezahlbar sind. Vermutlich wird sich die Führung in Beijing auch an der Größe des Immobiliensektor stoßen, denn dieser steht inzwischen für 29 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und 27 Prozent der Bankaktiva des Landes. Diese Zahlen sind doppelt so hoch wie die entsprechenden japanischen Werte Ende der 1980er Jahre waren, kurz bevor in Nippon die Immobilienblase platzte.

Ein erheblicher Teil der chinesischen Neubauten wurde von Personen übernommen, die bereits über mindestens eine Wohnung verfügen. Aktuelle Schätzungen gehen gleichzeitig davon aus, dass 20 bis 25 Prozent aller Wohnungen leerstehen. Genug, um 90 Millionen Menschen gut unterzubringen.

Da die demographische Entwicklung auch in China rückläufig ist hat die KPC erkannt, dass dieses Modell dem Land auf Dauer nicht mehr förderlich ist. Um der Spekulation Einhalt zu gebieten, wurden deshalb die sogenannten „drei roten Linien“ eingeführt:

  • Das Verhältnis der Verbindlichkeiten zu den Vermögenswerten muss bei den Immobilienentwicklern zukünftig unter 70 liegen.
  • Das Verhältnis der Nettoverschuldung zum Eigenkapital muss unter 100 Prozent liegen.
  • Das Verhältnis der Barmittel zu den kurzfristigen Schulden muss mindestens 100 Prozent betragen.

Von den 15 größten chinesischen Immobilienentwicklern erfüllt derzeit nur ein einziger alle drei Bestimmungen. Damit ist relativ egal ob, China Evergrande und andere angeschlagene die aktuelle Krise überleben werden oder nicht. In jedem Fall wird die Immobilienentwicklung als Konsequenz dieses Debakels eine deutliche Verlangsamung erfahren.

Damit sind auch alle anderen Branchen betroffen, die bislang als Zulieferer bzw. Auftragnehmer so prächtig von dem Modell profitiert haben und einen Rückgang des chinesischen Bruttoinlandsprodukts vorherzusagen, ist keine große Kunst mehr.

Da sich die Welt im Allgemeinen und der Rohstoffsektor im Besonderen in den vergangenen Jahren dran gewöhnt hat, dass die chinesische Wirtschaft mit jährlichen Raten zwischen sechs und acht Prozent wächst, dürfte sich auch hier die Krise sehr schnell und auch sehr drastisch auswirken.

Ein Rückgang der chilenischen Immobilientätigkeit um 20 Prozent könnte nach Untersuchungen von Ken Rogoff und Vuanchen Yang von der Pekinger Tsinghua-Universität aus dem vergangenen Jahr zu einem Rückgang des BIPs von fünf bis zehn Prozent führen, selbst wenn der Zusammenbruch von Evergrande keine Bankenkrise nach sich ziehen sollte.

Der Hintergrund dieser pessimistischen Schätzung ist, dass Immobilienbesitz in China 78 Prozent des Gesamtvermögens der Chinesen ausmacht. Sollten, wie von der kommunistischen Partei gewünscht, die Immobilienpreise nachgeben, dürfte das Konsumverhalten der Bevölkerung recht schnell und recht deutlich auf den Vermögensverlust reagieren.

Der unersättliche Appetit auf Rohstoffe, den die chinesische Wirtschaft in den vergangenen Jahren an den Tag gelegt hat, war vor allem auf den schnell wachsenden Immobilienmarkt zurückzuführen. Er dürfte sich erheblich zurückbilden, sollte sich die Bautätigkeit im Reich der Mitte in Zukunft schwächer entwickeln.