EU: Gemeinsame Schulden sind Euro-Bonds, auch wenn sie nicht so heißen

Was als triumphaler Schritt in Richtung europäischer Geschlossenheit angekündigt wurde, entwickelte sich beim Brüsseler Gipfel am 18. und 19. Dezember zu einer peinlichen Niederlage für die politische Führung der Europäischen Union. Zwei zentrale Projekte standen auf der Agenda: Zum einen die geplante Überführung eingefrorener russischer Vermögenswerte bei Euroclear in EU-Verfügung, zum anderen der Abschluss des seit Jahren verhandelten Mercosur-Abkommens. Am Ende scheiterten beide Vorhaben – laut, deutlich und für alle sichtbar. Doch das eigentliche politische Erdbeben fand nicht in den großen Überschriften statt, sondern im Kleingedruckten hinter den Kulissen.

Ein schuldenpolitisches Tabu wird heimlich gebrochen

Während die Medien den doppelten Misserfolg kommentierten, nutzten die EU-Institutionen die Gelegenheit, um einen Schritt zu vollziehen, der in normalen Zeiten massive Widerstände ausgelöst hätte: die schleichende Einführung gemeinsamer europäischer Schulden. Konkret beschlossen die Staats- und Regierungschefs, der Ukraine einen Kredit über 90 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen – zinslos und über zwei Jahre bereitgestellt. Die Rückzahlung soll dann erfolgen, wenn Russland irgendwann Entschädigungen zahlt. Ein Szenario, das faktisch kaum realistisch ist.

Zur Finanzierung wird die EU Anleihen ausgeben, die formal mit russischen Vermögenswerten unterlegt sind. Doch da diese Gelder eingefroren und juristisch umstritten sind, tragen letztlich die Mitgliedstaaten die Haftung. Hinter dieser Konstruktion lässt sich kaum verbergen, dass hier gemeinsame europäische Schulden geschaffen werden – genau das, was seit Jahren als politisches No-Go galt.

Bundeskanzler Friedrich Merz lobte das Ergebnis als angeblichen Triumph der europäischen Handlungsfähigkeit und versicherte, nationale Haushalte würden nicht zusätzlich belastet. Die Realität sieht anders aus. Denn obwohl der Kredit auf EU-Ebene organisiert wird, stehen am Ende die nationalen Steuerzahler in der Verantwortung. Deutschland wird allein 11,5 Milliarden Euro für ukrainische Rüstungshilfe aufbringen – durch neue Kredite, nicht durch Einsparungen.

Gleichzeitig beziffert die EU-Kommission den finanziellen Bedarf zur Stabilisierung der ukrainischen Staatsfinanzen für das kommende Jahr auf rund 81 Milliarden Euro. Die Haushaltslücke des Landes beträgt derzeit 18,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – ein Wert, der die Dimension der Aufgabe verdeutlicht.