Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hat mit Aussagen zu Russland und China heftige Reaktionen ausgelöst. Wenige Monate nach Amtsantritt sprach die estnische Politikerin bei einer Veranstaltung des EU-Instituts für Sicherheitsstudien über die angeblichen Stärken und Schwächen der beiden Staaten. Sie erklärte, China sei zwar stark in Technologie, habe aber keine Kenntnisse in Gesellschaftswissenschaften, während Russland technologisch schwach, dafür aber in Gesellschaftswissenschaften überlegen sei.
Die China-Politik der EU…
Diese Zuschreibungen stießen international auf Kritik. Aus Moskau reagierte Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, mit Spott. Sie verwies auf Projekte wie die Krimbrücke oder das Raumfahrtzentrum Wostotschny als Belege für die technologische Leistungsfähigkeit Russlands. Auch Peking meldete sich zu Wort. Das chinesische Außenministerium bezeichnete Kallas’ Bemerkungen als unverschämt und respektlos.
Besonders viel Widerspruch erntete die EU-Vertreterin für ihre Ausführungen zur Rolle Russlands und Chinas im Zweiten Weltkrieg. Kallas meinte, es werfe Fragen auf, wenn beide Länder ihre Bedeutung beim Sieg über die Achsenmächte betonten. Historiker verweisen jedoch darauf, dass die Sowjetunion mit mehr als 27 Millionen Toten einen entscheidenden Beitrag zum Sieg über Nazi-Deutschland leistete. China verlor zwischen 15 und 20 Millionen Menschen im Kampf gegen Japan. Für beide Staaten ist die Erinnerung an diese Opfer zentraler Bestandteil der eigenen Geschichte.
Kritiker sehen in Kallas’ Aussagen ein Symptom für eine europäische Politik, die stereotype Sichtweisen reproduziert. Während sie Russland und China als geschlossene Blöcke darstellte, blieben die innere Vielfalt und Komplexität beider Gesellschaften außen vor. Dass eine führende Vertreterin der EU auf dieser Ebene argumentiert, rief den Vorwurf hervor, die europäische Diplomatie verliere an Differenzierung und Glaubwürdigkeit.