Ifo-Präsident Clemens Fuest fordert von der neuen Bundesregierung mehr Engagement in der Europapolitik

In einem Gastbeitrag für das Handelsblatt hat Ifo-Präsident Clemens Fuest von der neuen Bundesregierung ein stärkeres Engagement in der Europapolitik gefordert. Es gelte, die Zusammenarbeit miteinander aber auch mit den USA zu vertiefen. Bestehende einseitige Abhängigkeiten gegenüber den USA und China sollten jedoch reduziert werden.

Innerhalb der Eurozone sollte sich die neue Bundesregierung nach Fuest Auffassung einer Aufweichung der Regelungen zur Verschuldung entgegenstellen und sich statt dessen für ein Gleichgewicht aus Solidarität, Eigenverantwortung und Finanzdisziplin einsetzen. Dazu gehöre auch, dass die Banken ihre Investitionen in Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssten.

Im Verhältnis zu China müsse die Europäische Union ihre Interessen selbstbewusst vertreten. Eine vollkommene Deckungsgleichheit zwischen den europäischen und den amerikanischen Interessen sieht Clemens Fuest allerdings nicht, denn für Europa ist China als Handelspartner und bei den Direktinvestitionen wichtiger als für die Vereinigten Staaten.

Die europäische Wirtschaft bleibt abhängig vom US-Dollar und anfällig für US-Sanktionen

Die aktuelle Lage zwischen den USA und China schätzt der Ifo-Präsident so ein, dass sich derzeit zwischen den beiden Rivalen ein zweiter Kalter Krieg anbahne. Diese Konstellation birgt auch für die europäische Wirtschaft Gefahren, denn die globale Dominanz des US-Dollar verstärkt die Abhängigkeit der EU von den Vereinigten Staaten und mache die europäischen Unternehmen anfällig für US-Sanktionen. Ein Ziel der EU-Politik müsse es daher sein, denn Euro als internationale Reserve- und Transaktionswährung zu stärken.

Innenpolitisch fordert Clemens Fuest, die Erwerbstätigkeit zu steigern, insbesondere die von Frauen. Dies sei erforderlich, weil mit dem demographischen Wandel die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter sinke. Notwendig sei daher ein Ausbau der Kinderbetreuung und die Umstellung der Ehegattenbesteuerung auf ein Realsplitting.

Daneben sollten Beschäftigungshindernisse im Steuer- und Transfersystem abgebaut werden. Für viele Menschen lohnt es sich derzeit nicht, mehr als Teilzeit zu arbeiten. Änderungen bei der Unternehmensbesteuerung könnten hingegen dazu genutzt werden, um stärkere Anreize für Investitionen in Deutschland zu setzen.