Christine Lagarde zwischen Skylla und Charybdis

In der aktuellen Diskussion um die ansteigenden Inflationsraten geben sich Christine Lagarde und von ihr geführte Europäische Zentralbank nach außen hin recht gelassen. Die hohen Inflationswerte seien nur ein vorübergehendes Phänomen und man sei deshalb weise genug, durch diesen Inflationsnebel hindurchzuschauen.

Die Preise am Markt sprechen allerdings eine ganz andere Sprache. Dort haben viele Medien in den vergangenen Tagen darauf hingewiesen, dass die stark gestiegenen Preise für Bauholz in der Zwischenzeit auch wieder um 40 Prozent gefallen seien. Unter dem Strich bleibt zwar dennoch ein deutlicher Anstieg gegenüber dem Vorjahr, doch auf den ersten Blick hat es den Anschein, als liege die EZB mit ihrer gelassenen Einschätzung zur Inflationsentwicklung richtig.

Das Bauholz ist an dieser Stelle allerdings nicht das Maß aller Dinge. Wichtiger sind die Preise für andere Rohstoffe, besonders jener für das Öl, das nicht umsonst als das Schmiermittel der Weltwirtschaft gilt. Hier sinken die Preise noch nicht, schon gar nicht im zweistelligen Bereich. Im Gegenteil: Der Ölpreis notiert zu Wochenbeginn mit 73,51 US-Dollar je Barrel für die Nordseesorte Brent nur knapp unterhalb seines Jahreshochs.

Die wirklich wichtigen Rohstoffe bleiben teuer

So muss die aktuelle Ausgangslage der Europäischen Zentralbank wie die Auswahl zwischen Pest und Cholera vorkommen. Entweder man bekämpft die gerade aufkommende Inflation frühzeitig mit höheren Zinsen oder man hat in Kürze Zustände wie in der Türkei, wo die Verbraucherpreise längst mit einer zweistelligen Rate steigen.

Wird die Entscheidung zugunsten einer konsequenten Inflationsbekämpfung getroffen, so heißen die unangenehmen Folgeerscheinungen sinkender Konsum, nachlassendes Wachstum und möglicherweise mehr Arbeitslosigkeit. Gegen diese können die Staaten nicht allzu viel unternehmen, weil sie längst überschuldet sind und ihnen das Wasser bei steigenden Zinsen nicht nur bis zum Halse, sondern eher auf Augenhöhe steht.

Lässt die Europäische Zentralbank die Dinge noch eine Weile laufen, riskiert sie eine Art Abstimmung mit den Füßen. Je mehr Bürger sich des Problems Inflation bewusst werden, umso mehr werden darauf reagieren. Käufe werden vorgezogen, solange die Waren noch günstig sind. Damit steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes und mit ihr die Inflation, sodass recht schnell ein Teufelskreis entstehen könnte.