Auch die Europäische Zentralbank bereitet die Finanzmärkte auf eine Zinswende vor

Noch im vergangenen Jahr vertrat die Europäische Zentralbank die Ansicht, dass die Zinsen in der Eurozone nicht vor 2024 erhöht würden. Schon damals waren die Aussagen vor dem Hintergrund der deutlich steigenden Inflation im zweiten Halbjahr zumindest befremdlich. In der Zwischenzeit wirken sie geradezu grotesk.

So verwundert es nicht, dass sich auch die EZB langsam bewegt. Auf einer Konferenz in Slowenien bereitete EZB-Chefin Christine Lagarde die Finanzmärkte bereits auf eine deutlich vorgezogene Zinswende vor und erklärte, dass die Anleihenkäufe zu Beginn des dritten Quartals auslaufen würden.

Damit wäre ein erster Schritt zum Austritt aus der ultralockeren Geldpolitik des vergangenen Jahrzehnts gemacht. Zu einer ersten Zinserhöhung könne es dann bereits „einige Wochen später“ kommen. Diese Einschätzung der Präsidentin ist eine klare Abgrenzung zu früheren Aussagen, bei denen immer betont worden war, dass zwischen dem Ende der Anleihenkäufe und dem ersten Zinsschritt eine gewisse Zeit vergehen werde.

Die Zeit drängt, sogar für die EZB

Der Markt hatte diese Zeit lange als Monate interpretiert. Nun scheint aber auch die EZB begriffen zu haben, dass die Zeit drängt und man dabei ist, jede Spur von Glaubwürdigkeit zu verlieren. Hatte man zunächst die anziehende Inflation verharmlost und davon gesprochen durch sie hindurchschauen zu wollen, wirkt nun bei einer Inflation von 7,4 Prozent in Deutschland und einem ähnlich hohen Wert in der gesamten Eurozone der negative Zinssatz der Europäischen Zentralbank von minus 0,5 Prozent nur noch wie der blanke Hohn.

Großbritannien hatte seinen Leitzins bereits als erstes der europäischen G7-Länder erhöht. Im März haben auch die USA nachgezogen. Seitdem legt die US-Notenbank ein rasantes Tempo vor. Ihm gegenüber wirkt das verhaltene Vorgehen der EZB wie schlaftrunken und aus der Zeit gefallen.

Eine interessante Frage wird deshalb sein, in welchem Tempo Europas Währungshüter ihrer Zinsen erhöhen wollen. Soll der Abstand zu den USA und damit die relative Schwäche des Euros zum US-Dollar nicht zu groß werden, wird man um mehrere große Zinsschritte von 0,5 Prozentpunkten kaum umhinkommen. Spannend wird sein, ob der EZB-Rat dazu die Kraft auf bringt oder ob er doch lieber den Euro zu einer Weichwährung verkommen lässt.