Lauterbach besiegt Spahn – oder?

Der „Focus“ feiert Karl Lauterbach. Der hatte verlangt, dass der Impfstoff von AstraZeneca weiter verimpft werden solle, als Jens Spahn den Impfstoff pausieren ließ. Nun lässt Jens Spahn AstraZeneca wieder verimpfen, nachdem die EMA, die Europäische Arzneimittelbehörde, grünes Licht gegeben hat. Der „Focus“ dazu: „Wieder einmal hat Karl Lauterbach Recht gehabt“. Er sei der einzige Bundespolitiker von Rang gewesen, der den Stopp der Regierung als falsch beschrieben hatte.

Im Netz würde Lauterbach nun gefeiert. Einige User würden ihn schon als neuen Gesundheitsminister fordern. Die Entscheidung der Regierung, nach der Vorgabe des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) den Impfstoff zunächst wegen des Verdachts auf Bildung von Blutgerinnseln pausieren zu lassen, sei „gegen den Rat von Karl Lauterbach“ erfolgt.

Es sei auch eine Entscheidung gegen die Empfehlung der EMA gewesen sowie auch gegen die „internationalen Kollegen der WHO“. Auch die positive Erfahrung der Briten, so der „Focus“, sei ignoriert worden. Die haben den Impfstoff von AstraZeneca demnach an 11 Millionen Menschen verimpft, „weitgehend ohne Nebenwirkungen“. Lauterbach also hatte „recht, wie so oft“.

Focus bescheinigt Lauterbach „tiefe Expertise“

Der Bericht enthält eine weitere bemerkenswerte Einschätzung. Wohl niemand verfüge im Deutschen Bundestag über eine derart tiefe Expertise wie Lauterbach. Zweifel an seiner Kompetenz gäbe es nicht. Lauterbachs Kernargument habe gelautet, dass der politische Schaden einer AstraZeneca-Pause den Nutzen bei weitem übersteigen werde. Der Verdacht auf die Hirnthrombose und den Zusammenhang zum Impfstoff sei zu prüfen, der Impfstoff müsse allerdings weiter verimpft werden.

Genug der Lobhudelei, würden Kritiker einwenden. Denn es gibt einen bedeutenden Unterschied zwischen den politischen Figuren Lauterbach und Spahn. Der amtierende Gesundheitsminister haftet unter anderem politisch für seine Aktivitäten sehr viel direkter. Dass der Gesundheitsminister sich dem PEI anschließt und eine Pause angeordnet hat, ist in diesem einen Fall zumindest respektabel. Hier geht es offensichtlich die politische Verantwortung auch für die Gesundheit Geimpfter. Wenn die halbe europäische Welt „prüft“ und ein Gesundheitsminister mitprüfen möchte, hat der vermeintliche Gegenspieler nicht im Nachgang „Recht gehabt“.