So führt die Gier nach Aufmerksamkeit Sie systematisch in die Irre

Der Gardasee in Norditalien ist ein beliebtes Urlaubsziel. Noch vor einem Jahr schien er in großer Gefahr zu sein, denn die Massenmedien berichteten, er sei halb leer. Das waren dramatische Worte, denn die durchschnittliche Tiefe des Sees beträgt 135 Meter. Von den ehemaligen Stränden hätten die Touristen also einige Meter tief hinabsteigen müssen, bis das Wasser wieder erreicht worden wäre.

Heute müsste es genau umgekehrt sein und viele Orte wie in einer neu angelegten Talsperre versunken sein, denn nun titelt der klimabewegte Blätterwald, dass der See „so voll wie nie“ sei und überlaufe. „Ein Jahr nach Rekord-Ebbe: Wasser ist zurück – jetzt läuft der Gardasee über“, berichtete der „Merkur“. „So voll wie nie“ ergänzen der „Südkurier“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Es wurde sogar behauptet, der See sei dreimal so voll wie zur Zeit der großen Ebbe und nun müsse sogar Wasser abgelassen werden.

Die Autoren von Unstatistik, einer Seite im Internet, die regelmäßig Statistiken bespricht und ihre Interpretationen kritisch infrage stellt und bewertet, haben schnell herausgefunden, warum die alarmierenden Schlagzeilen der Medien mit den Berichten der Urlauber vor Ort, die keine großen Veränderung zu erkennen vermochten und wie in früheren Jahren wunderschöne Urlaube am Gardasee verlebten, so gar nicht zusammen passen wollten.

Manche Medien verstehen viel von Panik aber wenig von Zahlen

Die Lösung des Problems, das, wenn es überhaupt eines ist, nur das Zahlen- und Aufmerksamkeitsproblem einiger Journalisten ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, wie die Wasserhöhe des Gardasees bestimmt wird. Dies geschieht in Peschiera. Dort befindet sich die Messlatte, die vor Jahren mit einem willkürlich bestimmten Nullpunkt versehen wurde.

Der Nullpunkt war dabei so gewählt, dass er leicht unter dem niedrigsten Wasserstand vieler Jahre lag. Über die Wassertiefe des Sees, die an ihrer tiefsten Stelle 346 Meter beträgt, sagt dieser Nullpunkt allerdings herzlich wenig aus. Wenn nun das Wasser des Sees im Frühjahr 2022 99 Zentimeter über dem willkürlich gewählten Nullpunkt lag und ein Jahr später im Frühjahr 2023 nur noch 46 Zentimeter, dann heißt das noch lange nicht, das der halbe See leergelaufen ist.

Hätten die deutschen Qualitätsmedien etwas gründlicher recherchiert, wären sie zudem darauf aufmerksam geworden, dass der Wasserstand des Sees künstlich reguliert wird. Sobald die willkürlich gewählte Nulllinie bei Peschiera erreicht ist, wird das Ablassen von Wasser aus dem See gestoppt. Es muss also wirklich schon extrem heiß werden, damit der im Durchschnitt 135 Meter tiefe Gardasee zur Hälfte austrocknen kann.

Seien Sie deshalb vorsichtig, wenn die Klimaretter vom „Stern“ das nächste Mal hysterisch melden: „Beliebtes Urlaubsziel fällt trocken: Gardasee nur noch zu 38 Prozent gefüllt“, oder das „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ behauptet: „Der Gardasee, das größte Wasserreservoir Italiens, ist bei nur noch 35 Prozent seiner Speicherkapazität angelangt.“