Ist Argentinien das große Vorbild, dem wir heimlich nacheifern?

Im vergangenen Monat wurde die argentinische Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Katar Weltmeister. „Weltmeisterlich“ ist auch die Inflationsrate im Land. Sie erreichte im Dezember mit 94,8 Prozent das höchste Niveau seit 30 Jahren, wie die Statistikbehörde Indec am vergangenen Donnerstag mitteilte.

Atemberaubend ist nicht nur die Zahl an sich, sondern auch die Steigerungsrate, denn noch im Jahr 2021 lag die Inflationsrate in dem südamerikanischen Land „nur“ bei 50,9 Prozent. Im Hintergrund steht eine schwere Wirtschafts- und Finanzkrise, die Argentinien seit Jahren erschüttert. Für die Argentinier selbst bedeutet das, dass ihre Ersparnisse innerhalb von 30 Jahren gleich zweimal nahezu vollständig vernichtet wurden.

Gegenüber uns Europäern, die wir zuletzt in den 1970er Jahren eine hohe Inflationsrate hatten, sind die Argentinier damit an einer Stelle deutlich im Vorteil: Sie wissen bereits aus leidvoller Erfahrung, dass man die inflationäre Gefahr nicht auf die leichte Schulter nehmen darf und dass die eigenen Ersparnisse im Zweifel von niemandem geschützt werden, es sei denn, man kümmert sich selbst darum und zwar frühzeitig.

Wer sich auf den Staat und die Notenbank verlässt, der ist verlassen

Hilfe vom Staat oder von der Notenbank? Viele Argentinier werden an dieser Stelle vermutlich nur genervt abwinken oder gelangweilt mit den Schultern zucken. Der Staat, in dem sie leben, ist seit Jahren erstens überschuldet und zweitens nicht in der Lage, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Argentinien leidet an dieser Stelle unter einem Problem, mit dem auch die deutsche Wirtschaft kämpft: die Produktivität ist zu niedrig.

Zwar stellt Argentinien nach Brasilien die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas, doch der Staatsapparat ist viel zu aufgebläht, die Produktivität insbesondere in der Industrie zu gering und um die offizielle Wirtschaft herum wächst und gedeiht eine üppige Schattenwirtschaft. Und die Notenbank? Sie steht im Zweifel auf der Seite des Staates und finanziert dessen Haushaltsdefizite mit frisch gedrucktem Geld aus der Notenpresse.

Den ein oder anderen Deutschen dürfte an dieser Stelle ein schlechtes Gefühl beschleichen, denn vor 100 Jahren träumten die Menschen weltweit noch davon, so reich wie ein Argentinier zu sein. Seitdem ging es allerdings fast nur noch bergab. Vergleiche mit Deutschland, das seine besten Jahre ebenfalls bereits hinter sich haben könnte, drängen sich an dieser Stelle durchaus auf.

Auch hierzulande wird der Staat immer größer, die Industrie immer unproduktiver und die auch hier vorhandenen Haushaltsdefizite werden mit Wums und Dopplewums oder allerlei Sondervermögen, die leider keine echten Vermögen, sondern nur weitere Schulden sind, nur noch über den Kapitalmarkt bzw. von der Notenbank finanziert.