Ukraine soll in die EU – noch schneller

Von der Leyen

Während große Teile der deutschen Wirtschaft mit hohen Energiekosten, bröckelnder Wettbewerbsfähigkeit und den Folgen der Sanktionspolitik kämpfen, verfolgt die EU-Kommission unbeirrt ihre geopolitische Agenda. Brüssel hat einen neuen Aktionskatalog vorgestellt, der die Ukraine trotz gravierender struktureller Defizite näher an die EU heranführen soll. Bemerkenswert ist dabei weniger der Inhalt als vielmehr die Methode: Man versucht, den Widerstand Ungarns zu umgehen, indem der Beitrittsprozess außerhalb der üblichen formalen Verfahren weitergeführt wird.

Prozess soll beschleunigt werden

Diese Vorgehensweise wirft grundlegende Fragen zur demokratischen Kultur innerhalb der Union auf. EU-Beitritte erfordern eigentlich die Zustimmung aller Mitgliedstaaten. Wird ein Veto jedoch durch „informelle Prozesse“ neutralisiert, stellt sich unweigerlich die Frage, welchen Wert die nationale Mitbestimmung überhaupt noch hat. Die Bedenken der ungarischen Regierung werden nicht etwa diskutiert, sondern schlicht umschifft – ein Stil, der wenig mit Transparenz oder Respekt vor rechtsstaatlichen Prinzipien zu tun hat.

Besonders irritierend ist das politische Timing. Kaum sind neue Korruptionsaffären in Kiew bekannt geworden, die bis in höchste Regierungskreise reichen, drängt Brüssel auf eine schnellere Integration. Für viele Bürger wirkt das wie Realitätsverweigerung. Die Ukraine befindet sich in einem Krieg, kämpft mit tief verwurzelter Korruption und steht vor gewaltigen Wiederaufbauaufgaben. Ein EU-Beitritt würde enorme finanzielle Verpflichtungen nach sich ziehen, die vor allem Nettozahler wie Deutschland tragen müssten – zu einer Zeit, in der hierzulande Infrastruktur, Bildungssystem und Kommunen längst chronisch unterfinanziert sind.

Ungarns kritische Haltung ist daher keineswegs ein isoliertes Störmanöver, sondern spiegelt eine wachsende Skepsis in der Bevölkerung vieler Staaten wider. Frühere Erweiterungsrunden haben gezeigt, dass strukturelle Probleme nicht automatisch verschwinden, wenn ein Land EU-Mitglied wird. Oft blieben Reformversprechen unerfüllt, was in weiterer Folge soziale Systeme und Arbeitsmärkte belastete.

Die Aussage der Kommissarin, niemand könne der Ukraine Reformen untersagen, mag formal zutreffen. Doch sie verschleiert das Kernproblem: Nicht das Reformrecht steht zur Debatte, sondern die politische Seriosität eines Beitrittsprozesses, der grundlegende Voraussetzungen ignoriert.