Die politische Statik der Bundesrepublik beginnt sichtbar zu bröckeln. Was vor wenigen Jahren noch als theoretisches Gedankenspiel galt, wird inzwischen von einer Mehrheit der Bevölkerung als realistische Entwicklung eingeschätzt: In einem deutschen Bundesland könnte bald erstmals ein Ministerpräsident von der Alternative für Deutschland gestellt werden. Eine aktuelle Erhebung von YouGov im Auftrag der Deutsche Presse-Agentur zeigt, wie tiefgreifend sich die Wahrnehmung politischer Mehrheiten verändert hat.
Mehr als die Hälfte der Befragten hält es für wahrscheinlich, dass nach den Landtagswahlen 2026 ein AfD-Politiker an der Spitze einer Landesregierung stehen wird. Nur eine vergleichsweise kleine Minderheit rechnet fest damit, dass dieses Szenario ausbleibt. Besonders ausgeprägt ist der Optimismus naturgemäß unter den Anhängern der AfD selbst. Doch bemerkenswert ist vor allem, dass diese Erwartung längst nicht mehr auf das eigene Lager beschränkt ist. Auch Wählerinnen und Wähler der Union sowie der SPD sehen einen solchen Machtwechsel zunehmend als realistische Option. Lediglich im grünen Milieu überwiegt noch Skepsis.
Im Jahr 2026 wählen gleich mehrere Bundesländer neue Parlamente – darunter sowohl ost- als auch westdeutsche Länder. Vor allem im Osten zeigt sich die Stärke der AfD deutlich. Dort liegt sie in Umfragen teilweise nahe an der 40-Prozent-Marke. Diese Zahlen verdeutlichen das strategische Dilemma der etablierten Parteien: Trotz konsequenter Abgrenzung und öffentlicher Warnungen gelingt es ihnen nicht, den Aufstieg der AfD zu stoppen. Im Gegenteil – die anhaltende Ausgrenzung scheint für viele Wähler eher ein weiterer Beleg dafür zu sein, dass ihre Anliegen nicht ernst genommen werden.
Gleichzeitig bleibt der Weg zur Regierungsübernahme kompliziert. Da sämtliche anderen Parteien eine Zusammenarbeit kategorisch ausschließen, wäre die AfD auf eine absolute Mehrheit angewiesen. Zwar reichen die aktuellen Werte dafür noch nicht aus, doch der langfristige Trend verläuft eindeutig zugunsten der Partei. Auch in westdeutschen Ländern wächst sie kontinuierlich, wenn auch auf niedrigerem Niveau.
Neue Parteien, neue Dynamiken
Eine zusätzliche Unbekannte stellt das Bündnis Sahra Wagenknecht dar. Dessen Parteichef Fabio De Masi schloss zwar eine Zusammenarbeit mit der AfD aus, machte jedoch zugleich deutlich, dass sein Bündnis auch keine rein taktischen Anti-AfD-Bündnisse unterstützen wolle. Damit öffnet sich ein politischer Zwischenraum, der die Kräfteverhältnisse nach den Wahlen weiter verkomplizieren könnte.
Fest steht: Die politische Landschaft Deutschlands steht vor einer Zäsur. Ob sie 2026 tatsächlich sichtbar wird, entscheidet nicht nur die AfD – sondern auch die Fähigkeit der übrigen Parteien, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.