Kaum sind die Feiertage vorbei, flammt eine der grundlegendsten Debatten der deutschen Sozialpolitik erneut auf: die Zukunft der Rente. Auslöser ist ein Vorstoß aus dem Kanzleramt, der das bestehende System infrage stellt und eine unbequeme Wahrheit offen ausspricht. Kanzleramtschef Thorsten Frei hat eine Reform angestoßen, die das starre Renteneintrittsalter aufbrechen soll. Künftig, so sein Ansatz, müsse stärker zählen, wie lange jemand gearbeitet und Beiträge gezahlt hat – nicht allein, wie alt er oder sie ist.
Wir suchen Schuldige
Die derzeitige Rentenlogik behandelt alle gleich, obwohl ihre Erwerbsbiografien kaum unterschiedlicher sein könnten. Frei benennt damit ein Problem, das jetzt oft genannt wird: Menschen starten zu völlig verschiedenen Zeitpunkten ins Berufsleben, leisten unterschiedlich viele Jahre und sind körperlich wie psychisch unterschiedlich belastet. Trotzdem zwingt das System sie in dieselbe Altersgrenze. Dass dies auf Dauer nicht funktionieren kann, behaupten immer mehr Politiker.
Ganz praktisch dazu gedacht: Es gibt viele Erwerbsbiographien, die beides enthalten: Studenten, die später Taxi fahren oder in Restaurants arbeiten. Handwerks-Auszubildende, die Jahre später in die sogenannten Bürojobs übergehen. Wie wollen Union und SPD dies handhaben?
Wie sollen Studierende, die vollkommen auf eigenes Risiko über Jahre in ihre Ausbildung investieren, dazu gebracht werden, anders behandelt zu werden?
Wie sollen Auszubildende, die mit 16 Jahren ihre Tätigkeit aufnehmen, später dazu motiviert werden, sich mit diesen Aussichten weiter zu bilden.
Ab wann sollen solche Unterscheidungen greifen? Auch für diejenigen, die ihre Berufsentscheidung vor 10, 20, 30 Jahren getroffen haben?
Wie möchten Union und SPD jene behandeln, die erst im Altern von 20, 30 oder 40 Jahren nach Deutschland gekommen sind und hier ggf. ihre Arbeit aufnehmen? Werden sie länger arbeiten müssen?
Wie werden Zeiten der Arbeitslosigkeit behandelt oder der späteren Grundsicherung? In dieser Logik hätten diese Menschen sich gar nicht verausgabt.
Oder geht es, so die Kritiker, um Spalterei?