In einer aufgeheizten politischen Atmosphäre, in der moralische Empörung oft sachliche Analyse ersetzt, meldet sich Udo Di Fabio, ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts, mit einer ungewöhnlich nüchternen Wortmeldung zu Wort. Seine Einschätzung zur Alternative für Deutschland stellt keine Verteidigung dar, wohl aber einen eindringlichen Appell an Maß und Verhältnismäßigkeit – und genau das macht sie so bemerkenswert.
Warnung vor Eskalation durch Sprache
Di Fabio kritisiert vor allem den Ton, mit dem große Teile der politischen Klasse und des medialen Diskurses der Alternative für Deutschland begegnen. Die pauschale Gleichsetzung der Partei mit der NSDAP hält er für historisch unhaltbar und politisch gefährlich. Wer solche Vergleiche bemühe, trage selbst zur Verhärtung der Fronten bei und verschärfe die gesellschaftliche Polarisierung. Damit rückt er einen Aspekt in den Mittelpunkt, der häufig verdrängt wird: Radikalisierung entsteht nicht nur auf einer Seite.
Zugleich macht Di Fabio deutlich, dass auch die AfD selbst zur Eskalation beitrage – etwa durch provokante Zuspitzungen in der Migrations- oder Außenpolitik. Doch gerade deshalb sei es fatal, Millionen Wähler pauschal zu delegitimieren. Demokratie lebe davon, Konflikte auszutragen, nicht davon, ganze Bevölkerungsgruppen moralisch auszugrenzen.
Besonders zurückhaltend äußert sich der frühere Verfassungsrichter zu Forderungen nach einem Parteiverbot. Er warnt davor, dieses Instrument vorschnell einzusetzen. Ein Verbotsverfahren müsse rechtlich wasserdicht und politisch zwingend sein. Andernfalls drohe ein gefährlicher Präzedenzfall. Di Fabio rät, diese Option nur dann zu ziehen, wenn sich eine Partei eindeutig und dauerhaft außerhalb der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewege.
Auch das Szenario eines Wahlerfolgs der AfD auf Landesebene betrachtet Di Fabio pragmatisch. Sollte eine Partei demokratisch eine Mehrheit erringen, könne man ihr die Regierungsbildung nicht verwehren. Entscheidend sei nicht, wer regiere, sondern ob sich eine Regierung an Recht und Gesetz halte. Das Grundgesetz biete ausreichende Schutzmechanismen, um Verfassungsverstöße zu unterbinden.
Zur viel zitierten „Brandmauer“ äußert sich Di Fabio differenziert. Sie könne ein politisches Mittel sein, dürfe aber nicht zum Dogma erstarren. Parteien und politische Landschaften veränderten sich – und Demokratie müsse diese Entwicklungen aushalten, ohne ihre Prinzipien preiszugeben.