Vor einem frostigen Winter

Hallo allerseits! Alle reden übers Wetter. Aber abgesehen von saisonalem Smalltalk hat das globale Kernproblem des Winterhalbjahres (noch) nicht den angemessenen Stellenwert erlangt: Was wären die Folgen frostiger Monate? Sie betreffen doch alle Ebenen von Gesellschaft und Wirtschaft, um das Gesundheitswesen, den Arbeitsmarkt, das Geschäft von kleinen und großen Unternehmen, um Inflation und Börsenkurse. Dessen scheinen sich bisher jedoch nur Virologen, Mediziner und Krankenhausbetreiber bewusst zu sein: Von dieser Seite – und nur von dieser – werden die Warnungen vor einer wieder beschleunigten Corona-Pandemie und ihren fatalen Folgen immer eindringlicher.

Dagegen werden die Probleme von der Wirtschaft selbst und den meisten Medien bislang noch nicht dramatisiert, etwa durch Headlines wie „Trotz sommerlicher Erholung dürfte es im Winter zur Abkühlung kommen“. Eine eher milde Formulierung. Auch im dritten Quartal hat sich die deutsche Wirtschaft von den Corona-bedingten Einbußen weiter erholt – das BIP steigt im Vergleich zum Vorquartal um 1,8 Prozent und somit nur 0,1 Prozentpunkte weniger als von April bis Juni. Trotz der kräftigen Aufholbewegung im Frühjahr und Sommer konnte die Wirtschaftsleistung ihr Vorkrisenniveau aber noch nicht wieder erreichen.

Wird Vorkrisenniveau erst 2022 wieder erreicht?

Das dürfte erst im Jahr 2022 zu schaffen sein, erwarten jetzt vorsichtige Investment-Manager. Überhaupt, von allen Seiten kommen seit einigen Tagen korrigierte Prognosen. Während im Sommerquartal vor allem die Aufhebung der Corona-Beschränkungen bei wichtigen Dienstleistungen wie etwa im Gastgewerbe die Konsumausgaben unterstützt hat, sind die Aussichten für das laufende Vierteljahr sehr viel gedämpfter. Das liegt vor allem an den Produktionsproblemen wegen der mangelnden Verfügbarkeit von Vorprodukten. Auch die hohen Energiepreise, die die Kaufkraft der privaten Haushalte in den Wintermonaten schmälern werden, lasten auf der Konjunktur. Insgesamt dürfte die Wachstumsrate im Schlussvierteljahr nur noch etwa halb so hoch ausfallen wie zwischen Juli und September.

Für die meisten Schlagzeilen sorgen in diesen Tagen die Inflationszahlen. Denn schon der Sprung über die 4-Prozent-Marke im September hat Fachwelt und Laien gleichermaßen überrascht. Jetzt ist die Teuerungsrate für Oktober weiter auf 4,5 Prozent (vorläufig) geklettert. Nun gibt es auch erste Spekulationen über das Erreichen der 5-Prozent-Marke. Spekulationen? Mehr als das, denn der Verbraucherpreisindex lässt sich berechnen. Deshalb ist es irritierend, wenn selbst erfahrende Fachleute kontrovers über die weiteren Inflationsaussichten diskutieren.

Zwischen Jahresschluss-Rally und Baisse-Risiko

Würde sich an der aktuellen Marktverfassung nichts ändern, hätten die Börsen-Bullen kurz- bis mittelfristig eine Chance. Denn die Aktienmärkte haben die Risiken, die sich aus nachlassendem Wachstum und hoher Inflation ergeben, bisher wirklich gut verkraftet. Und selbst bei Teuerungsraten über dem aktuell erreichten Niveau ginge die die Attraktivität der Aktie gegenüber anderen Anlageklassen nicht gleich verloren. Doch sympathisiere ich momentan mehr mit dem erhobenen Zeigefinger skeptischer Strategen: Vorsicht, denn neben den wirtschaftlichen Risiken sollten auch Gefahren durch die weitere Verschärfung des Pandemie-Geschehens im Blick behalten werden. Corona ist auch eine langfristige Bedrohung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Ich möchte den Spieß umdrehen: Nicht die aktuellen und prognostizierten Wirtschaftsdaten sollten dem Kapitalanleger abschreckende Sorgen bereiten. Die sind ja auch vom Markt eingepreist. Nein, das die ganze Welt erschütternde Virus ist die größte Gefahr – schon wegen seiner Unberechenbarkeit. Wenn die Folgen der Pandemie erneut einen Weltwirtschaftskrise nach sich ziehen sollten, wären Liquidität (Cash) und Gold zumindest für einige Zeit die sinnvollen Alternativen.