Viele russische Fachkräfte wandern als Folge des Krieges in der Ukraine aus

Viele Russen, die ihrem Land den Rücken kehren, seit es am 24. Februar die Ukraine angegriffen hat, sind jung und haben einen eher städtischen Hintergrund. Das Land ihrer Sehnsüchte sind die Staaten der Europäischen Union. Schon vor der Corona-Pandemie wurden 24 Prozent der für den Schengen-Raum gestellten Visaanträge von Russen gestellt.

Dieser Weg ist im Moment noch offen, er könnte aber bereits in Kürze verstellt werden, denn Polen fordert, dass Visaanträge von russischen Staatsangehörigen in Zukunft nicht mehr bearbeitet werden und nur noch in humanitären Fällen gewährt werden sollen.

Russlands Führung wird den Auswandern keine Träne nachweinen, denn die meisten von ihnen stehen Präsident Wladimir Putin und der russischen Staatsführung eher ablehnend gegenüber. Wenn diese potentiell kritischen Stimmen im Land selbst nicht mehr vernehmbar sind, kann das der russischen Führung nur recht sein.

Kurzfristig nicht zu ersetzendes Wissen wandert über Nacht ins Ausland ab

Nicht gefallen kann dem Kreml jedoch der mit der Ausreise einhergehende Verlust von Humankapital. Dieser wirkt umso schmerzhafter, je stärker die Schraube der Sanktionen angezogen wird und je qualifizierter die Auswanderer sind. Besonders stark unter der Gruppe der Auswanderer sind derzeit die IT-Fachkräfte.

Sie organisieren sich in Telegram-Gruppen und vermitteln Kontakte zu westlichen Firmen, die daran interessiert sind, diese Computerspezialisten zu beschäftigen. Meist wird die Ausreise über Istanbul organisiert. Die Stadt hat sich deshalb seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine zu einer Art Drehkreuz für ausreisende Russen entwickelt.

Früher haben viele der IT-Spezialisten für die beiden russischen IT-Unternehmen VK und Yandex gearbeitet. Andere waren bei der Sberbank beschäftigt. Der russische Verband für elektronische Kommunikation (RAEC) geht davon aus, dass im März 50.000 bis 70.000 Informatiker aus Russland ausgewandert sind. Im April könnte diese Zahl auf 100.000 anschwellen, womit deutlich wird, wie groß der Abfluss von Humankapital in Russland derzeit ist.