Politisch und wirtschaftlich steht ein Paradigmenwechsel an

Ob Deutschland unter Angela Merkel eine europäische Führungsnation war, darüber lässt sich streiten, denn sehr oft ging es der Altkanzlerin weniger um das Problem an sich und mehr um ihren persönlichen Machterhalt. Ob Nachfolger Olaf Scholz wesentlich andere Akzente setzen wird, bleibt abzuwarten.

Die dazu notwendige Zeit steht allerdings nicht zur Verfügung, denn durch den Krieg in der Ukraine stehen Deutschland und zum Teil auch Europa vor den Scherben ihrer Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Beide müssen jetzt möglichst schnell an die veränderten Gegebenheiten angepasst werden.

In der Frage der Sicherheitspolitik wurde mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Februar auch die Erwartung zu Grabe getragen, nach dem Ende des Kalten Krieges sei eine neue Zeit des langwährenden Friedens angebrochen. Doch das schon voreilig ausgerufene Ende der Geschichte gab es nicht und nun ist Deutschland aufgefordert, von Träumen Abschied zu nehmen und sich neu zu positionieren.

Die Wirtschaft beginnt bereits umzudenken. Folgt nun auch die Politik?

Ein ähnlich hartes Erwachen brachten die Jahre der Corona-Pandemie im Bereich der Wirtschaft. Hier hatte die Globalisierung seit der Jahrtausendwende als unantastbarer Fels in der Landschaft gewirkt. Man könne ihr nicht ausweichen hieß es und für die Industrie war das Motto: Produziert wird da, wo es am billigsten ist.

Dann kam ein 15 Nannometer großes Virus vorbei, zerstörte die Lieferketten und stellte alles infrage. Die heikle Frage, was von wem wo produziert wird, stand in der Industrie bereits vor dem 24. Februar auf der Agenda. Zu groß und zu schmerzhaft waren die negativen Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der Lieferketten während der Pandemie.

Nun gesellt sich als politisches Problem die Frage nach dem Umgang mit Ländern wie Russland und China hinzu. Denn ähnlich wie die vor zwanzig Jahren erhoffte Friedensdividende ausgeblieben ist, hat auch der damals erhoffte Wandel durch Handel nicht stattgefunden. Der deutsche Außenhandel mit Russland und China ist seit dem Jahr 2000 deutlich gewachsen, die Repressionsmaßnahmen der politischen Führung in beiden Ländern aber auch.