Industrie, Politik und Verbraucher sollten sich auf den nächsten Großkonflikt rechtzeitig vorbereiten

Als in den Morgenstunden des 24. Februars 2022 die russischen Truppen die Grenze zur Ukraine überschritten, war das Entsetzen nicht nur in der Ukraine selbst groß. Zwar hatte sich der Konflikt seit Monaten abgezeichnet, doch hatten viele Politiker, Experten und Wirtschaftsmanager mit etwas mehr Realitätssinn auf Seiten von Russlands Präsident Wladimir Putin gerechnet.

Die Erwartung, der russische Präsident werde eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse machen und vor einem unkalkulierbaren Risiko im Zweifel zurückschrecken, erwies sich als unzutreffend, weil die Abwägung entweder nicht stattgefunden hat oder von völlig falschen Voraussetzungen ausging.

Das führte anschließend zu schmerzhaften Erfahrungen, die uns auch heute noch massiv betreffen. An dieser Stelle genügt es, auf das Gas und die Abhängigkeit von Rohstofflieferungen aus Russland zu verweisen. Auf sie hatte man sich zuvor so blind verlassen, dass ein schneller Wechsel der Bezugsquellen entweder gar nicht möglich ist oder zumindest eine große Herausforderung darstellt.

Ist eine Wiederholung in Zukunft ausgeschlossen?

Der nächste große lokale Konfliktherd, der sich sehr leicht zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit globalen Folgen weiterentwickeln könnte, zeichnet sich bereits schemenhaft am Horizont ab. Es ist die Taiwanfrage. Chinas Staatspräsident Xi Jinping hat sich vorgenommen, diese bis zum 100. Geburtstag des Volksrepublik im Jahr 2049 zu lösen.

Das Datum erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, als habe die Welt noch genügend Zeit, sich auf eine Verschärfung des Konflikts vorzubereiten. Doch diese Einschätzung übersieht zwei wichtige Punkte: Der Erste ist die Selbsteinschätzung des chinesischen KP-Führers und der Zweite sein Alter.

Xi Jinping sieht sich als der größte chinesische Führer der Neuzeit seit Mao Zedong. Er wird im Herbst auf dem Parteikongress mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine dritte fünfjährige Amtszeit nominiert werden. Im Juni ist Xi 69 Jahre alt geworden. Am Ende seiner dritten Amtszeit wäre er somit 74 Jahre alt. Von seinem Alter her könnte er sich auch noch um eine vierte Amtszeit bemühen.

Die Zeit drängt für alle Beteiligten

Fraglich ist allerdings, ob der Rückhalt in der Partei dann immer noch so groß sein wird, dass man sie ihm gewährt. An dieser Stellte kommt deshalb eine besondere Dringlichkeit ins Spiel, denn es passt nicht zum Selbstverständnis eines großen chinesischen Führers, die Lösung der prestigeträchtigen Taiwanfrage einem seiner Nachfolger zu überlassen.

Das könnte dazu führen, dass Xi Jinping in die Fußstapfen Wladimir Putins tritt und die Entscheidung in einer politischen Frage auch zu einem ungünstigen Zeitpunkt forciert, nur damit sie noch in seiner Präsidentschaft gelöst wird. Entscheidend ist dann nicht mehr, ob der Zeitpunkt günstig ist oder nicht, sondern nur noch, ob die Lösung der Frage in den Geschichtsbüchern mit dem eigenen Namen verbunden sein wird oder mit dem des Nachfolgers.

Sollte es so kommen, hätte die Welt bis zur militärischen Lösung der Taiwanfrage nicht einmal mehr fünf Jahre, denn es ist kaum anzunehmen, dass der chinesische Präsident das Projekt erst kurz vor seinem politischen Abtritt in Angriff nehmen wird. In diesen fünf Jahren muss sich der Westen eine Verteidigungsstrategie für Taiwan entwickeln und die Wirtschaft muss eine Antwort auf die Frage finden, wie sie im Fall von Sanktionen auf Rohstoffe und Warenlieferungen aus dem Reich der Mitte verzichten will.