Der Vertrauensverlust wird langsam sichtbar und gefährlich

Unser heutiges Geld ist ein Kreditgeld. Es kommt nicht durch geprägte Gold- und Silbermünzen in Umlauf, sondern durch neu ausgegebene Kredite. Diese sind aber, wie der lateinische Ursprung des Wortes unzweifelhaft erkennen lässt, eine Frage des Vertrauens. Ist dieses gegeben, funktioniert die Geldwirtschaft und mit ihr auch die Realwirtschaft recht gut.

Fehlt das Vertrauen, sind die Probleme an vielen Stellen meist nicht mehr fern. Auf einen solchen Punkt steuert unsere Gesellschaft zu. Jahrelang war die Inflation kein Thema für den Normalbürger, sondern eher ein wissenschaftlicher Aspekt im Diskurs der Ökonomen. Seit gut einem Jahr ist das anders und nahezu ein jeder bemerkt inzwischen, wie sehr die Kaufkraft seines Geldes im Schwinden begriffen ist.

Damit kehren Ängste ein, die sich zu früheren Zeiten als sehr zerstörerisch erwiesen haben. Schaut man sich das Deutschland vor 100 Jahren an, so stand es kurz davor in eine Phase der Hyperinflation zu gleiten. 1922 war die finanzielle Welt für die meisten Deutschen noch halbwegs in Ordnung. Zwei Jahre später lag – zumindest finanziell – fast alles in Trümmern.

Stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Radikalisierung?

Auf die Hyperinflation folgten die „goldenen 20er Jahre“. Es war eine Scheinblüte, getragen von günstigen Krediten. Als diese von den Gläubigern aus Angst vor zu vielen Zahlungsausfällen zurückgefordert wurden, platzten die meisten Darlehen und die Weltwirtschaftskrise begann. Mit ihr einher ging eine massive Radikalisierung der deutschen Gesellschaft, deren Ende bekannt ist.

Auch wenn die aktuellen Zeiten noch nicht annähernd die Schwere der Probleme von vor 100 Jahren aufweisen, so wird aus dem Blick zurück in die Geschichte doch sehr gut deutlich, wie groß das gesellschaftliche Sprengpotential sein kann. Wer reich oder zumindest wohlhabend ist, hat etwas zu verlieren. Wer nichts mehr hat, hat auch nichts mehr zu verlieren.

Zugespitzt ist das die Gefahr vor der die meisten europäischen Gesellschaften in den kommenden Jahren stehen. Noch ist der Besitz vorhanden und er ist auch relativ groß. Doch die hohe Inflation lässt immer mehr Menschen spüren oder zumindest erahnen, dass dieser Besitz in großer Gefahr ist.

Die Jahre der Scheinblüte sind vorbei

Unabhängig von der Frage, ob es zu einem heißen Herbst kommen wird oder nicht: Soll der finanzielle Sprengsatz unter dem Fundament der Gesellschaften nicht gezündet werden, müssen schnell Maßnahmen getroffenen werden, die im Kern auf zwei wesentliche Ziele ausgerichtet sind: die ausufernde Teuerung zu stoppen und das Vertrauen in die Lösungskompetenz des Staates und der Politik wiederherzustellen.

Mal sehen, ob sich morgen zumindest die Europäische Zentralbank in dieser Hinsicht zu einer grundlegenden Änderung ihrer bisherigen Politik aufraffen kann. Die deutsche Ampelkoalition hat am letzten Wochenende gezeigt, dass ihr die dazu notwendige Einsicht noch nicht gekommen ist. Wäre es anders gewesen, hätte man grundsätzlich die Weichen neu gestellt und nicht weiter nur an Symptomen herumgeschraubt.

Ob man die drei noch verbliebenen Kernkraftwerke am Netz lassen oder wie ursprünglich geplant abschalten will, darüber kann leidenschaftlich diskutiert werden. Doch Gegner wie Befürworter der jeweiligen Positionen dürften sich darüber im Klaren sein, dass es keinen Sinn macht, ein Kernkraftwerk, das zum Anfahren und zum Herunterfahren jeweils etwa eine Woche benötigt, in eine kurzfristige Reserve einzustellen, die bei Bedarf schnell zu und auch wieder abgeschaltet werden kann.

Man lässt diese Kraftwerke entweder komplett am Netz oder nimmt sie vom Netz aber man schaltet sie nicht an und aus wie das Licht im Keller. Die Entscheidung der Ampelkoalition riecht daher schwer nach einer Mischung aus ideologischem Starrsinn und faulem Kompromiss.

Ob Entscheidungen wie diese das sind, was sich die Bürger als Lösungskompetenz des Staates vorstellt, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen.