Auch für die Inflation gilt: Wahre Worte sind nicht schön und schöne Worte sind nicht wahr

Auch für die Inflation und den Umgang mit ihr gilt eine Weisheit, die der chinesische Philosoph Laotse schon vor mehr als 2000 Jahren niederschrieb: „Wahre Worte sind nicht schön und schöne Worte sind nicht wahr.“ Will heißen: Es bringt nichts, eine schlechte Situation wortreich schön zu reden. Soll sich etwas zum Guten ändern, müssen die entscheidenden Dinge offen und ehrlich beim Namen genannt werden.

Wirtschaftlich sind Inflation und Deflation zwei gefährliche Situationen, in denen das feine Gleichgewicht innerhalb einer Wirtschaftsgemeinschaft empfindlich gestört ist. Im einen Fall, wird nicht gekauft, weil man zurecht davon ausgeht, dass man ein angebotenes Gut in wenigen Tagen, Wochen oder Monaten deutlich günstiger erwerben kann, und im anderen Fall, der Inflation, wird lieber heute gekauft, als bis morgen gewartet, weil es dann noch teurer wird.

Schädlich sind beide Situationen, weil sie über Firmenpleiten, Arbeitslosigkeit und finanzielle Not eine Menge Leid und Elend bis in die letzte Familie bringen können. Dafür zu sorgen, dass weder das eine noch das andere Übel eine Gesellschaft heimsucht und schädigt, ist damit ein sinnvolles Anliegen.

Welches ist das größere Übel? Muss die Deflation stärker bekämpft werden als die Inflation oder ist Letztere die gefährlichere volkswirtschaftliche Krankheit? Im Grunde können wir weder das eine Übel noch das andere wollen, denn zwischen ihnen entscheiden zu müssen, ist so etwas wie die Auswahl zwischen Pest und Cholera.

„Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet.“

Die Notenbanken haben sich in den vergangenen Jahren jedoch festgelegt und die Deflation als das mit Abstand größere Übel benannt. Vielleicht, weil ihre Folgen direkt und hart zu spüren sind, während die Inflation zunächst wie ein schleichendes Gift wirkt. Doch auch ein schleichend wirkendes Gift, ist und bleibt ein Gift.

So wurde die Deflation mit Unmengen an neugeschaffenem Geld bekämpft. Lange Zeit ohne direkt spürbare Wirkung. Japan steckte über 20 Jahre in der Deflation und kam nicht heraus, obwohl die Druckerpressen Tag und Nacht auf Hochtouren liefen. Nun ist es endlich geschafft und die Deflation ist besiegt.

Jeder Sieg hat bekanntlich seinen Preis und der ist derzeit in Form einer beängstigend steigenden Inflation zu zahlen. Was von ihr in ihrer heutigen Ausprägung zu halten ist, würde ich Ludwig Erhard gerne einmal fragen. Das geht leider nicht mehr, denn der zweite Kanzler, der die Bundesrepublik von 1963 bis 1966 führte und von 1949 bis 1963 ihr Wirtschaftsminister war, ist lange schon verstorben.

Aber vielleicht hat er uns die Antwort doch schon zu Lebzeiten gegeben, als er sagte: „Die Inflation kommt nicht über uns als Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen.“

Es sind wahre Worte, die, einst gesagt, heute immer noch uneingeschränkt gültig sind. Für Notenbanker und Politiker schön anzuhören, sind sie allerdings nicht. Oder wie der ehemalige Bundesbankpräsident Ottmar Emminger es einmal formulierte: „Wer mit der Inflation flirtet, wird von ihr geheiratet.“