Die amerikanischen Privatanleger agieren äußerst risikoreich

In den USA herrscht unter den Privatanlegern derzeit eine schon fast euphorische Stimmung. Ängste? Fehlanzeige, sollte man meinen. Doch dem ist nicht so. Die Angst, die Amerikas Privatanleger derzeit umtreibt, ist nicht die Angst, einen Teil des eingesetzten Geldes zu verlieren, sondern die Angst, etwas zu verpassen.

FOMO – Fear of missing out – also die Angst, selbst nicht mit von der Partie zu sein, wenn andere Anleger über Nacht große Gewinne einfahren, hat in den USA derzeit Hochkonjunktur. Das führt dazu, dass besonders gerne spekulative Aktien gekauft werden. Eine weitere Folge dieser Entwicklung ist, dass gehebelt an den Märkten gehandelt wird.

Gehebelt kann an dieser Stelle bedeuten, dass Aktien auf Kredit gekauft werden oder dass besonders risikoreiche Produkte wie Optionen, besonders jene mit extrem kurzer Laufzeit gekauft werden. Viele Privatanleger sind so sehr darauf fixiert, ihr Vermögen schnell zu vermehren, dass sie das Risikomanagement hinten anstellen und beide Varianten der gehebelten Spekulation in ihrem Depot umsetzen, nur um möglichst schnell reich zu werden.

Ohne einen beständigen Nachschub an frischer Liquidität droht das Kartenhaus zusammenzubrechen

Es ist vor allem die kollektive Stimmung, an der Börse schnell viel Geld machen zu wollen, die den Markt derzeit treibt. Wäre es anders, würden bullische Optionen, die bis zum Verfall nur noch eine Laufzeit von null Tagen haben, nicht gekauft. Sie werden aber nicht nur gekauft, sondern sind sogar die bevorzugte Spielwiese vieler Privatanleger.

Dies ist ein Warnsignal dafür, dass die aktuellen Bedingungen am Aktienmarkt äußerst fragil sind. Es ist nicht das Zeichen eines gesunden Bullenmarktes, sondern spiegelt einen Markt wider, der von Liquidität, Hebelwirkung und schierer Dynamik angetrieben wird. Man könnte auch davon sprechen, dass die Anleger die Börse gerade als ein Casino und nicht als den Platz ansehen, an dem frei nach Karl Marx Anteile an den Produktionsmitteln gehandelt werden.

Die Börsengeschichte lehrt allerdings, dass auch Phasen mit einer extremen Spekulationsbereitschaft nicht ewig andauern. Früher oder später kommt der Tag, an dem die Liquidität, die den Markt zuvor massiv angetrieben und die Kurse stark hat steigen lassen, versiegt. Vielen Privatanlegern ist dabei nicht bewusst, dass die gleichen Mechanismen, die die Kurse jetzt steigen lassen, dann in die Gegenrichtung wirken werden.

Kurzfristig sieht der Aktienmarkt derzeit noch recht widerstandsfähig aus. Die Hauptgründe dafür sind allerdings nicht fundamentaler Art, sondern Momentum, Liquidität und eine euphorische Stimmung. Wenn aber aus irgendeinem Grund kein Geld mehr in passive Fonds fließt oder, schlimmer noch, wenn es abfließt, wird derselbe mechanische Prozess, der die Mega-Caps bisher nach oben getrieben hat, sie wieder nach unten drücken. Das ist die große Gefahr in der der Aktienmarkt gerade steckt.