Das Dilemma mit den chinesischen Coronazahlen

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In China gibt es immer zwei Zahlen. Fragen Sie beispielsweise einen Passanten auf der Straße danach, wie weit der Weg zum Bahnhof oder zur nächsten U-Bahnstation ist, gibt es immer zwei Antworten: die richtige und die, von der Ihr Gesprächspartner meint, dass Sie sie hören möchten.

Das Phänomen zieht sich durch alle Bereiche und gesellschaftlichen Schichten. Deshalb sind chinesische Zahlen immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Für die offiziellen Zahlen der Regierung gilt das auch, denn sie setzen sich aus den Berichten von untergeordneten Beamten zusammen, die ihrerseits intensiv darüber nachsinnen, welche Zahlen die politische Führung in Beijing von ihnen hören möchte.

Ein gutes Beispiel sind die Zahlen zur Corona-Pandemie. Obwohl das Virus in Wuhan ausbrach und zunächst nur China betroffen war, hatte das kleine Italien das große China bei den Infektionszahlen im Frühjahr 2020 schnell überholt. Andere Länder folgten dem italienischen Beispiel sehr schnell nach.

Blinde Gefolgschaft und eine blinde Führung

Doch die chinesischen Zahlen „passten“ zur offiziellen Politik der kommunistischen Partei. Diese ließ verkünden, man habe das Virus erfolgreich eingedämmt und damit im Griff. Seitdem die strikte Null-Covid-Politik aufgegeben wurde, zeigt sich jedoch ein ganz anders Bild.

Heute ist es fast eine patriotische Pflicht, sich schnell mit dem Virus zu infizieren und zu überleben, damit China rasch den Status der Herdenimmunität erreicht und seine Wirtschaft wieder öffnen kann. Für die nachgeordneten Beamten bedeutet dies, dass gar nicht genug Infizierte nach Beijing gemeldet werden können.

Auch so erklärt sich, dass einzelne Provinzen mittlerweile einen Durchseuchungsgrad von 95 Prozent erreicht haben wollen. Dass passt zur offiziellen Linie der Partei, wirft aber zwangsläufig die Frage auf, ob diese Zahlen auch der Wirklichkeit entsprechen. Was wirklich im Land los ist, weiß deshalb vermutlich niemand, schon gar nicht die politische Führung der KPC.