Die Ökonomin Veronika Grimm hat der Bundesregierung einen derart scharfen Realitätscheck verpasst, dass er kaum deutlicher hätte ausfallen können. Gegenüber dem Magazin „Focus“ machte die Wirtschaftsweise klar, dass sie der neuen Rentenkommission praktisch keine Chance einräumt, irgendeine nennenswerte Reformwirkung zu erzielen. Der Grund sei banal und gleichzeitig politisch brisant: Das jüngst verabschiedete Rentenpaket habe zentrale Weichen bereits festgelegt und damit genau jene finanziellen Spielräume vernichtet, die eine Kommission überhaupt bräuchte, um echte Veränderungen vorzuschlagen.
Struktur als Sabotage – so Grimms Vorwurf
Grimm brachte ohne Umschweife auf den Punkt, warum sie das Gremium für handlungsunfähig hält: Eine paritätische Besetzung, also ein ausgewogen zusammengesetztes, politisch abgestimmtes Team, sei von Anfang an darauf angelegt, Konflikte elegant zu verwalten – nicht, sie zu lösen. Von einem solchen Aufgebot sei daher keine Reformoffensive zu erwarten. Besonders scharf kritisierte sie die bereits diskutierten Ideen, die ihrer Ansicht nach eher an Stammtischskizzen erinnern als an moderne Rentenpolitik. Ein Modell, das Akademikern ein höheres Renteneintrittsalter zumuten will, kommentierte sie spöttisch: „Trifft das dann auch den VWL-Absolventen, der als Taxifahrer arbeitet?“
Kommission im Aufbau – doch der Auftrag wirkt unlösbar
Währenddessen formiert sich die Runde der Beteiligten: Die CDU setzt offenbar auf Frank-Jürgen Weise, ehemals Chef der Bundesagentur für Arbeit, während die SPD die Sozialrechtlerin Constanze Janda ins Rennen schickt. Insgesamt sollen dreizehn Mitglieder, darunter acht Wissenschaftler und drei Abgeordnete, Vorschläge zur Stabilisierung des Rentensystems erarbeiten – von einer Anhebung des Rentenalters über eine breitere Beitragsbasis bis hin zu einer gezielteren Zuwanderungspolitik.
Arbeitsministerin Bärbel Bas hatte zuletzt von einem „neuen System“ gesprochen. Grimm hält genau das für unrealistisch, weil der Regierung nach eigener Einschätzung sowohl Mut als auch konsequente Strategie fehlen.
Fundamentale Kritik an der politischen Führung
Auch jenseits der Rentenpolitik äußerte Grimm tiefes Misstrauen gegenüber den Reformversprechen der Koalition. Beim Bürgergeld etwa sehe sie eher Rückschritte als Fortschritte: Aus ihrer Sicht zögert das Arbeitsministerium, echte Veränderungen umzusetzen, und schaffe lieber neue Ausnahmewege, statt arbeitsmarktpolitische Probleme klar anzugehen. Ihr bitteres Fazit: „Ich sehe derzeit keinen politischen Willen, strukturelle Reformen überhaupt zu wagen.“
Grimm kritisierte die SPD besonders scharf, weil sie ihrer Meinung nach soziale Gerechtigkeit nur vortäusche, während die tatsächlich Bedürftigen leer ausgingen. Doch auch die CDU schone sich selbst und vermeide grundlegende Entscheidungen. Am Ende stand ein Satz, der wie ein Schlussstrich wirkt: „Die Regierung zeigt täglich, dass sie es nicht ernst meint.“