Künstliche Intelligenz galt lange als Heilsversprechen: effizientere Prozesse, neue Geschäftsmodelle, sogar Lösungen für globale Probleme. Doch ausgerechnet Geoffrey Hinton, einer der maßgeblichen Wegbereiter neuronaler Netze, zeichnet inzwischen ein Szenario, das eher an eine Dystopie erinnert als an Fortschritt. Der 77-Jährige, der jahrelang für Google forschte und als „Godfather of AI“ gilt, sieht in der gegenwärtigen Entwicklung weniger Chancen für die breite Gesellschaft als vielmehr Risiken für Millionen von Beschäftigten.

Vorsicht vor der KI!

In einem Interview erklärte Hinton, dass KI-Technologien vor allem von Wohlhabenden eingesetzt würden – nicht, um Innovationen zu fördern, sondern um Arbeitskräfte zu ersetzen. Das Ergebnis sei eine Schieflage: steigende Profite auf Seiten der Eigentümer, Verarmung und Perspektivlosigkeit auf Seiten der Masse. Bemerkenswert ist dabei seine Klarstellung, dass nicht die Technologie selbst der Schuldige sei, sondern das ökonomische System, in das sie eingebettet ist. Mit dieser Diagnose stellt er sich offen gegen das Narrativ der Tech-Elite, die KI als neutralen Fortschritt verkauft.

Auch populäre Gegenstrategien wie ein bedingungsloses Grundeinkommen betrachtet Hinton kritisch. Geld allein könne den Verlust von Sinn und Selbstwert durch fehlende Arbeit nicht kompensieren. Damit verweist er auf eine Frage, die über Wirtschaft hinausgeht: Wie organisiert eine Gesellschaft ihr Selbstverständnis, wenn Maschinen die meisten Aufgaben besser erfüllen als Menschen?

Doch Hinton warnt nicht nur vor sozialer Sprengkraft. Viel schwerer wiegt für ihn die Gefahr einer künftigen Superintelligenz, die menschliche Fähigkeiten weit übertrifft. Viele Fachleute, so Hinton, hielten ein solches Szenario in den kommenden Jahrzehnten für realistisch. Er vergleicht es mit einer bevorstehenden Alien-Invasion: Man könne sie am Horizont erkennen – und müsse sich dringend fragen, wie man ihr begegnet.

Während in der Politik Milliardenpakete für Infrastruktur und Klimaziele geschnürt werden, bleibt diese Herausforderung nahezu unbeachtet. Das ist die eigentliche Ironie: Die Entwickler selbst mahnen zur Vorsicht, doch die Gesellschaft scheint noch nicht einmal die Dimension der Gefahr verstanden zu haben.