Die Politisierung des Lebens nimmt immer mehr zu

Haben Sie heute Morgen geduscht oder haben Sie sich an den Rat von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten, Winfried Kretschmann, gehalten und zur Körperpflege einen Waschlappen bemüht?

Sollten Sie diese Frage überhaupt gedanklich beantwortet haben, zeigen Sie damit unfreiwillig, wie stark die Politisierung auch in Ihrem Privatleben bereits fortgeschritten ist. Dabei ist nicht entscheidend, wie Sie geantwortet haben, sondern allein, dass sie überhaupt geantwortet haben, denn in früheren Zeiten hätten sich die meisten Bürger diese Frage schlichtweg verbeten.

Der Gegenstand der Frage ist privat und geht daher niemanden etwas an. So war das zumindest früher und frühere Generationen legten auf die Privatheit dieser Frage großen Wert. Heute hingegen versucht die Politik, nicht nur in immer mehr Fragen einzudringen, in denen sie im Grunde nichts zu suchen hat, sondern kommt mit diesem Ansinnen auch noch durch, weil sich zu wenig Widerstand regt.

Im Nationalsozialismus war alles politisch

Machthungrige Regime im Allgemeinen und totalitäre Regime im Besonderen neigen dazu, die Grenze zur Privatsphäre immer wieder und immer weiter zu überschreiten, sodass sich der Bereich des Politischen immer mehr zu Lasten der Privatsphäre ausdehnt. Der Nationalsozialismus in Deutschland war eines der totalitären Regime, die diesen Weg mit Nachdruck beschritten haben. Er war allerdings nicht das einzige totalitäre Regime, das diesen Weg meinte einschlagen zu müssen.

Die Konsequenz war, dass am Ende alles als politisch angesehen und entsprechend bewertet wurde. Ob die Menschen am Sonntag, wenn sie frei hatten, in die Kirche gingen oder nicht. Ob sie dabei ihren Sonntagsanzug trugen oder doch die Uniform des örtlichen Schützenvereins oder vielleicht eine Landestracht. All diese individuellen Fragen und Freiheiten wurden politisch interpretiert.

Und selbstverständlich wurde jeder Ausdruck einer individuellen Freiheit auch entsprechend gewertet. Dabei pflegten die Nationalsozialisten nach der Regel vorzugehen: Wer nicht aktiv für uns ist und dies in seinen Worten und Taten jederzeit unzweifelhaft – oder wie man damals zu sagen pflegte „rückhaltlos“ – zum Ausdruck bringt, der ist gegen uns und muss bekämpft werden.

Die heutige Gesellschaft ist an vielen Punkten wieder auf dem Weg in eine derartige Politisierung des Privatlebens. Dabei ist es egal, ob es um Ihren Impfstatus oder die Höhe Ihrer Gasrechnung geht. Immer maßt sich das Kollektiv an, über die Interessen des Einzelnen bestimmen zu können. Dass dabei auf Dauer die Freiheit des Einzelnen auf der Strecke bleiben wird, ist abzusehen.