Für Öl wird derzeit eine hohe Verfügbarkeitsprämie bezahlt

In unserem alltäglichen Sprachgebrauch sprechen wird zwar gerne von dem Ölpreis und tun dabei so, als gäbe es nur einen einzigen universellen Ölpreis, doch das ist weder sprachlich noch wirtschaftlich korrekt, denn es gibt viele Ölpreise. Sie differenziert zu beachten, ist hilfreich, um zu verstehen, was derzeit an den Energie- und Rohstoffmärkten geschieht.

Die Ölpreise unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer Herkunft und ihres Schwefelgehalts, sondern auch hinsichtlich der Frage ihres Lieferzeitpunkts. Es macht deshalb immer und nicht nur derzeit einen großen Unterschied, ob Nordseeöl der Sorte Brent, amerikanisches Öl der Sorte WTI oder russisches Öl der Sorte Urals gekauft werden soll.

Auch innerhalb der gleichen Ölsorten unterscheiden sich die Preise gewaltig, in Abhängigkeit davon, wann das Öl geliefert werden soll. Für das Öl gilt dabei, was normalerweise für alle Rohstoffe gilt: Die Lieferungen zu späteren Zeitpunkten sind teurer als die sofort lieferbaren Kontrakte.

Eine verkehrte Rohstoffwelt

An den Rohstoffmärkten spricht man davon, dass die Terminkurve im Contango ist und damit den Normalzustand darstellt. Denn Öl, das erst in einigen Monaten geliefert werden soll, muss bis dahin irgendwo gelagert werden. Weil diese Lagerung Geld kostet, sind die Preise in der Regel höher.

Aktuell stellt sich die Terminkurve am Ölmarkt jedoch sehr verzerrt dar, denn der Markt ist ist in einer Backwardation. Mit dieser Bezeichnung umschreiben die Händler das eher seltene Phänomen, dass kurzfristige Lieferungen teurer sind als längerfristig laufende Kontrakte, obwohl Letztere die Lagerkosten mit berücksichtigen müssen.

Momentan sind die Ölmärkte jedoch nicht nur in einer Backwardation, sondern in einer besonders steilen Form der Backwardation. Will heißen: Kurzfristig verfügbares Öl ist nicht nur ein wenig teurer, sondern massiv teurer als das erst zu einem späteren Zeitpunkt zu liefernde Öl.

Wie stark der Unterschied derzeit ausfällt, machen die kurz- und langfristigen Extrempunkte sehr schön deutlich: Öl, das zum nächst möglichen Zeitpunkt geliefert werden soll, das ist aktuell der April 2022, kostet über 110 US-Dollar je Fass, während für Öl der gleichen Sorte und Qualität, das erst im Dezember 2026 geliefert werden soll, nur rund 70 US-Dollar zu bezahlen sind. Lagerkosten hin oder her.