Freude und Problem zugleich: Der Auftragsbestand der deutschen Industrie erreicht einen neuen Rekord

Die Zahl ist durchaus ambivalent, denn sie bietet Anlass zur Freude wie auch zur Besorgnis: In seiner Aprilumfrage zum Auftragsbestand der deutschen Industrie ermittelte das Münchener Ifo Institut einen neuen Rekordwert, denn ohne auch nur noch einen einzigen neuen Auftrag hereinzunehmen, wäre die deutsche Industrie für die nächsten 4,5 Monate ausgelastet.

Bei der letzten Umfrage, die im Januar 2022 durchgeführt worden war, hatte dieser Wert noch leicht niedriger bei 4,4 Monate gelegen. Schon dies war ein sehr hoher Wert, denn in der Regel liegt die Auftragsreichweite der deutschen Industrie im Durchschnitt bei 2,9 Monate.

„Der Zuwachs an Reichweite ist jetzt nur noch gering. Das deutet darauf hin, dass sich der Eingang an neuen Aufträgen allmählich abschwächt“, erklärte Professor Dr. Timo Wollmershäuser, der Stellvertretender Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen.

Nachfrage und Mangel spiegeln sich in den Zahlen wider

So erfreulich der hohe Auftragsbestand ist, so ärgerlich ist, dass er sich in den vergangenen Monaten immer weiter aufgebaut hat und nicht nennenswert abgetragen werden konnte. „Der Auftragsstau spiegelt nicht nur die hohe Nachfrage nach deutschen Industriewaren in den vergangenen Monaten wider, sondern auch die Schwierigkeiten der Unternehmen, die bestehenden Aufträge aufgrund des Mangels an wichtigen Vorprodukten und Rohstoffen zeitnah abzuarbeiten“, bringt Timo Wollmershäuser das Problem vieler Unternehmen auf den Punkt.

Der bange Blick der Unternehmen richtet sich deshalb auch weiterhin auf ihre Lieferketten. „Falls sich die Lieferengpässe in den kommenden Monaten auflösen würden, könnte die Produktion in der deutschen Industrie durchstarten“, bemerkte der Leiter der Ifo-Konjunkturprognosen. „Das würde dann die Wirtschaftsleistung kräftig anschieben.

Danach sieht es allerdings momentan nicht aus. Vieles spricht vielmehr für eine Verschärfung des Problems. Aus China bezieht die deutsche Industrie rund 15 Prozent ihrer Vorprodukte. Die dort von der Regierung verhängten rigorosen Lockdowns wirken sich deshalb bis nach Deutschland aus.

Besonders groß ist die Auftragsreichweite derzeit in der Autoindustrie. Hier berichten die Automobilhersteller und ihre Zulieferer von Aufträgen, die noch für 7,4 Monate reichen. Im Maschinenbau reicht der Auftragsbestand, um die Arbeit für weitere 6,5 Monate zu sichern. Bei den Herstellern von Datenverarbeitungsgeräten sind es 6,3 Monate. Am kürzesten ist die Reichweite der Aufträge mit 1,7 Monaten bei den Textil-Herstellern.