Droht ein neuer Gaspreisschock?

Im vergangenen Jahr stellten die stark gestiegenen Preise für Öl und Gas einen der wichtigsten Faktoren für den massiven Anstieg der Inflation dar. Auch für die nahe Zukunft ist nicht mit einer nennenswerten Entspannung zu rechnen, denn nach wie vor sind die Energiemärkte Verkäufermärkte.

Wer Ware anzubieten hat, bestimmt in diesen wohin sie geliefert wird und auch zu welchem Preis. Für die Verbraucher sind das keine guten Aussichten, denn sie bedeuten nichts anderes, dass auch in Zukunft große Teile der eigenen Einnahmen für die Bezahlung der Energiekosten aufzuwenden sind.

Zu früheren Zeiten wäre insbesondere die Lage auf dem europäischen Gasmarkt noch gravierender gewesen, weil der Gastransport ausschließlich über Pipelines erfolgte. Inzwischen steht mit dem Flüssiggas zwar eine Alternative zur Verfügung, die es möglich macht, große Gasmengen per Tanker auch in ferne Länder zu transportieren. Doch auch schafft nur etwas Erleichterung, löst aber das grundsätzliche Problem nicht.

Eine Rechnung mit vielen offenen Fragen

Der Markt für Flüssiggas ist auch ohne politische Einflüsse immer ein begrenzter Markt, denn nur wenn die Flüssiggastanker überhaupt zur Verfügung stehen, kann Erdgas verflüssigt und auf sie verladen werden. Tanker baut allerdings auch die schnellste Werft nicht über Nacht und aktuell sind die verfügbaren Angebotsmengen gering.

Es ist deshalb kaum möglich, große Mengen Flüssiggas kurzfristig über Kontinente hinweg zu verschieben. Auch die Russen haben an dieser Stelle ein Problem, denn ihr Pipelinenetz ist zwar gut ausgebaut, aber nicht mit einander verbunden. Das bedeutet, dass Russland auf Erdgas, das nicht nach Europa verkauft wird, sitzenbleibt, weil es nicht möglich ist, dieses nach China umzuleiten.

Viel wird in den nächsten Monaten deshalb davon abhängen, ob Gazprom seine Kunden in Europa auch weiterhin beliefern will und ob es dazu auf jene Pipelines zurückgreifen kann, die durch die Ukraine verlaufen.

Im Falle eines Krieges könnten diese leicht beschädigt werden und auch dann nicht mehr zur Verfügung stehen, wenn beide Kriegsparteien sie eigentlich in Betrieb lassen wollen. Die Russen, weil sie auf die Einnahmen aus dem Gasverkauf angewiesen sind und die Ukrainer, weil sie die Transitgebühren benötigen.