Deutschlands Unternehmen fürchten die Krise und horten fast 700 Milliarden Euro Cash

Aktuell verfügen die deutschen Unternehmen nach einem Bericht des Handelsblatts über 688 Milliarden Euro an freier Liquidität. Wie sehr dieses Geld belastet, obwohl es eigentlich dazu vorgehalten wird, auch in der Krise flexibel reagieren zu können, zeigt ein Vergleich mit der Finanzkrise. Auch damals stieg die von den Unternehmen vorgehaltene Liquidität stark an.

Das heutige Niveau an frei verfügbarer Liquidität wurde 2008/2009 allerdings nicht erreicht. Wie sehr sich die Zeiten geändert haben, zeigen die Erträge, die dieses Geld erwirtschaftet: 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise erzielten die Unternehmen mit dem Geld noch Zinseinnahmen von 11,55 Milliarden Euro.

Heute werden für die bei den Banken vorgehaltenen Gelder Strafzinsen in Höhe von 734 Millionen Euro pro Jahr fällig. Damit nicht genug stellt auch die steigende Inflation im Grunde nichts anderes als eine negative Verzinsung von weiteren 4,5 Prozent dar, wenn man die aktuellen Zahlen vom Statistischen Bundesamt für die Entwicklung der Inflation in Deutschland im Oktober 2021 einmal als Anhaltspunkt wählt.

Hohe Unsicherheit und Mangelwirtschaft

Auch wenn die Zahl der Infizierten wieder steigt, rechnet die Mehrheit der Firmen derzeit nicht mehr mit flächendeckenden Lockdowns wie im vergangenen Jahr. Auf den ersten Blick erscheint die hohe Liquidität damit unangemessen zu sein. Aus dem Blickwinkel der Unternehmen ergibt sich jedoch ein anderes Bild: Die Pandemie mag vielleicht im Wesentlichen vorbei sein, doch abgelöst wurde sie von einer Zeit anhaltender Unsicherheit und beständigen Mangels an unverzichtbaren Teilen.

Es ist vor allem diese permanente Unsicherheit, welche die rund 1,3 Millionen deutschen Unternehmen trotz Strafzinsen derzeit sehr große Geldbeträge horten lässt. Fast im Wochenrhythmus kommen neue Produkte und Rohstoffe hinzu, die gerade nicht in den benötigten Mengen geliefert werden können.

Das Ganze erinnert eher an eine Kriegswirtschaft als an normale Friedenszeiten. In normalen Zeiten führen Kundenaufträge zu Umsätzen und Gewinnen, wodurch die Zukunft für die Unternehmen einigermaßen planbar wird. Aktuell sind zwar die Bücher gut gefüllt mit Aufträgen, doch ob diese letztlich auch abgearbeitet werden können, ist unsicher.

Hinzu kommen die während der Finanzkrise gemachten negativen Erfahrungen. Damals trockneten die Kreditmärkte aus und es wurde extrem schwer, Finanzierungen zu bekommen. Man kann den Unternehmen nicht verdenken, dass sie viel Liquidität horten, um derartige Erfahrungen nicht noch einmal machen zu müssen.