Deutschland am Vorabend einer Gaskrise

Offiziell ist eine Gasturbine, die zur Verdichtung des Erdgases dient, das durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 gepumpt wird, der Stein des Anstoßes. Sie war von Siemens Energy zur Überholung nach Kanada geschickt worden. Zwar wurden die Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Zwischenzeit abgeschlossen, doch aufgrund der neuen Sanktionen gegen Russland kann die Turbine nicht mehr aus Montréal zurück nach Deutschland geliefert werden.

Gazprom hat deshalb den Gasdurchfluss durch die Ostseepipeline innerhalb weniger Tage um 60 Prozent gekürzt. Die alte Ostseepipeline stellte bislang die Hauptweg dar, auf dem russisches Gas auch nach dem Beginn des Krieges nach Deutschland geliefert worden war.

Zuvor hatte Gazprom bereits die durch Weißrussland und Polen führende Jamal-Pipeline nicht mehr befüllt und auch die über das Territorium der Ukraine führende Gasleitung wurde in den letzten Wochen immer weniger genutzt. Der Verzicht auf die beiden landgestützten Transportwege hatte in den vergangenen Monaten bereits zu einem starken Anstieg der Gaspreise geführt.

Die deutschen Erdgasspeicher sind nur zu etwas mehr als die Hälfte gefüllt

Nun droht eine erneute Verteuerung, denn die deutschen Gasspeicher weisen nach Angaben der Bundesnetzagentur derzeit nur eine Befüllungsquote von 56 Prozent aus. Das ist zu wenig, um damit über den Winter kommen zu können. Deshalb wäre jetzt eine schnelle und vollständige Wiederauffüllung der Speicher eigentlich das Gebot der Stunde.

Das weiß auch der russische Präsident Wladimir Putin. Bislang habe es in Russlands Interesse gelegen, auch weiterhin Gas nach Deutschland zu verkaufen, erklärte Klaus Müller, der Präsident der Bundesnetzagentur in dieser Woche in einem Gespräch mit der Rheinischen Post. Ob dem auch weiterhin so ist, bleibt offen. „Wir können nichts ausschließen“, warnte der Präsident und schlug vor, den Druck auf die privaten Haushalte zu erhöhen, damit mehr Gas gespart werden kann.

Einen Ansatzpunkt bietet für Klaus Müller dabei das Mietrecht. „Im Mietrecht gibt es Vorgaben, wonach der Vermieter die Heizungsanlage während der Heizperiode so einstellen muss, dass eine Mindesttemperatur zwischen 20 und 22 Grad Celsius erreicht wird.“ Hier könnte der Staat ansetzen und die Vorgabe so ändern, dass größere Einsparungen möglich sind, denn es sei wichtig, so viel Gas zu sparen wie möglich, um über den nächsten Winter zu kommen.