Wann fordert die zerbrechliche Lage ihren Tribut?

Man könnte unsere aktuelle Lage wahlweise als den Tanz auf einem Vulkan oder das Leben in einer zerbrechlichen Welt bezeichnen. Noch erscheint uns vieles normal und nicht weiter hinterfragbar und doch wissen wir, dass dem nicht mehr so ist. Spätestens beim Einkauf im Supermarkt oder bei der Fahrt zur Tankstelle werden wir durch die hohe Inflation wieder daran erinnert, dass etwas nicht stimmt.

Für die meisten Deutschen ist die Inflation bereits zu einem wichtigen Problem geworden, für viele – gerade in den unteren Einkommensschichten – vielleicht sogar schon zum wichtigsten Problem überhaupt. Da die Inflation partout nicht zurückgehen will, sondern eher noch den Eindruck erweckt, gerade erst so richtig in Schwung zu kommen, stellt sich schnell ein dumpfes Gefühl ein.

An den nächsten Winter zu denken, ist vor diesem Hintergrund alles andere als förderlich für unsere Stimmung. Er ist noch so weit weg und gleichzeitig schon so bedrohlich nah. Bringt er die Kälte und das fehlende Gas, vor dem sich derzeit halb Europa fürchtet? Oder bringt er zusätzlich auch noch eine handfeste Rezession?

Eine milde Rezession wird in den USA bereits antizipiert

In den USA ist diese so gut wie unvermeidbar. Das erste Quartal 2022 hatte bereits ein schrumpfendes Wirtschaftswachstum von minus 1,6 Prozent gebracht. Für das bereits abgeschlossene zweite Quartal rechnet die FED in Atlanta ebenfalls mit einem Minus in gleicher Höhe. Damit wären die Bedingungen für eine Rezession formal erfüllt.

Die Lage fühlt sich allerdings noch nicht so richtig nach Abschwung an, weil nicht nur bei uns, sondern auch in den USA der Arbeitsmarkt noch recht stark ist. Trotzdem kommen die Einschläge näher. In den USA ist der Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor in dieser Woche auf 47 gefallen. Das ist kein gutes Zeichen, denn Werte unter 50 signalisieren einen Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Noch sind die Prozentzahlen nicht allzu hoch, sodass sich die Hoffnung auf eine milde Rezession noch begründen lässt. Die Börsen haben eine leichte Rezession bereits eingepreist. Dennoch will kaum jemand Aktien kaufen. Zu groß ist die Gefahr, dass es zu einem neuerlichen Rückfall kommt, denn die Chance dafür, dass irgendetwas zu weiterem Ungemach führen wird, ist hoch.

So werden wir auch in den kommenden Wochen, vielleicht sogar Monaten in einer Zeit leben, die sehr zerbrechlich ist, weil viele Dinge sich quasi über Nacht grundlegend ändern könnten. Oder anders formuliert: Der unfreiwillige Tanz auf dem Vulkan könnte in die nächste Runde gehen.