Schmerz aushalten zu können, wird immer wichtiger

Sind wir bereit, für die Freiheit der Ukrainer und unsere eigenen Prinzipien im nächsten Winter zu frieren? Da aktuell der Sommer naht, mag man etwas leichter geneigt sein, die Frage mit einem mehr oder weniger klaren Ja zu beantworten. Doch auf eine derartige Frage könnte die Entwicklung hinauslaufen.

Neben der Gasfrage stellen sich in diesen Tagen aber auch noch andere Fragen in einer durchaus drängenden Art und Weise. Wie halten wir es mit China und den Uiguren, wie mit den Menschenrechten in anderen Teilen der Welt? Die Liste ist lang und sie kann recht leicht um neue Punkte verlängert werden.

Allen Punkten gemeinsam ist, dass sie einen gewissen Schmerz auslösen werden, sollte die Entscheidung zugunsten einer konkreten Handlung erfolgen, die für uns auch mit negativen Konsequenzen verbunden sein wird. Ihnen können wir nicht entgehen. Deshalb stellt sich schon frühzeitig die Frage, was sind wir bereit, zu erdulden.

Die Menschen in der Ukraine haben diese Frage in den letzten Wochen in einer sehr bewundernswerten Art und Weise getroffen. Ihnen ist klar, dass Freiheit nicht ohne Sicherheit und Sicherheit nicht ohne Freiheit zu erhalten ist. Das Eine bedingt das Andere und beide Aspekte haben ihren Preis. Wie hoch dieser sein kann, zeigt der Krieg seit dem 24. Februar.

Schmerzfreie Entscheidungen sind und bleiben eine Illusion

In der Ukraine wird derzeit deutlich, dass unter Umständen sehr hohe Schmerzen auszuhalten sind, wenn einmal die Entscheidung getroffen wurde, sich mit einer nicht gewollten Situation nicht abzufinden. Für die westlichen Gesellschaften ist dieser Schmerz befremdlich und wirkt bedrohlich. Das gilt insbesondere für die deutsche, denn hier wurde lange Zeit geleugnet, dass das Wort Konsequenzen irgendeine Bedeutung habe.

Nun lässt sich diese fahrlässige Ignoranz gegenüber den unmittelbaren und mittelbaren Folgen jedoch nicht mehr weiterführen. Jetzt dämmert es uns, dass der Klimawandel nicht zum Nulltarif zu haben ist und dass den verhinderten Corona-Toten Nachwirkungen an anderer Stelle gegenüberstehen, die auch nicht unerheblich und die nicht nur wirtschaftlicher Natur sind.

Die Frage, die hinter beiden Erkenntnissen steht, gilt im Grunde für alle Aspekte des Lebens. Sie ist die Frage nach der Größe des Schmerzes und der Entbehrung, die wir auszuhalten bereit sind, um ein gewisses Ziel, von dem wir der Meinung sind, dass es sinnvoll ist, zu erreichen.

Das fängt bei dem Dauerlauf an, den wir uns vorgenommen haben an und hört in Sicherheitsfragen nicht auf. Die Liste ist wie gesagt sehr lang, um nicht zu sagen unendlich, denn jede Entscheidung hat ihre Konsequenzen und damit ihren Preis.