Indischer Ex-Diplomat: China greift eher Indien an als Taiwan

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Nachdem Russland Ende Februar seinen Angriff auf die Ukraine gestartet hatte, wuchs international schnell die Befürchtung, die Volksrepublik China könnte die Ablenkung der USA und vieler anderer Staaten dazu nutzen, die angestrebte Wiedervereinigung mit Taiwan durch eine Invasion seiner Armee auf der Insel kurzfristig zu realisieren.

Der indische Ex-Diplomat Rajiv Dogra, der seinem Land über lange Jahre hinweg unter anderem als Botschafter in Italien gedient hat und der durch zahlreiche geopolitische Veröffentlichungen auf sich aufmerksam gemacht hat, widerspricht in seinem neu erschienenen Buch dieser Ansicht.

Er vertritt zwar ebenfalls die Ansicht, dass die chinesische Führung unter Präsident Xi Jinping China als eine aufstrebende Weltmacht sieht und deshalb bemüht ist, den Einfluss der Volksrepublik in der Region aber auch weltweit zu stärken. Doch für ihn ist es viel wahrscheinlicher, dass China in naher Zukunft eher einen Angriff an der Grenze zu Indien startet, als dass es Taiwan angreift.

Im Vergleich zu Taiwan ist Indien ein weniger gefährliches Ziel

Die aktuelle Ablenkung des Westens und insbesondere der USA durch den Krieg in der Ukraine sieht Rajiv Dogra mit Sorgen, denn China ist dabei, seinen Einfluss stetig auszubauen. Im Himalaya ist die Grenze mit Indien strittig und 2020 kam es dort bereits zu einem Konflikt, bei dem 45 Soldaten ihr Leben verloren. Die zur Lösung des Konflikts später angesetzten 15 Verhandlungsrunden brachten allerdings keine Fortschritte.

Während die USA ihre Militärpräsenz in Europa verstärken, könnte China die günstige Lage nutzen, um die Weltordnung im eigenen Interesse zu verändern. Einen Krieg mit Taiwan zu beginnen, dürfte an dieser Stelle unvorteilhaft sein, denn er enthält die Gefahr, dass er auch für China wirtschaftlich und militärisch teuer werden könnte.

Im Gegensatz dazu wäre ein indisch-chinesischer Krieg in den abgelegenen Himalaya-Höhen allein auf die Militäroperationen der beiden Armeen beschränkt. Die Gefahr, dass sich das Ausland einmischt ist wesentlich geringer und auch der indisch-chinesische Handel hat für China nicht annähernd die Bedeutung, die dem Warenaustausch mit Taiwan zukommt.

Da Indien China vom Militär bis zur Wirtschaft in allen relevanten Punkten derzeit klar unterlegen ist und die Beziehungen beider Länder weiterhin angespannt sind, könnte ein Konflikt mit Indien der chinesischen Führung durchaus ins Konzept passen.