CSU-Politiker Manfred Weber hat bei einer Rede in Berlin ein Konzept vorgestellt, das tief in die Kommunikationsfreiheit eingreift. Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei möchte soziale Medien künftig stärker regulieren – bis hin zur vollständigen Identifizierung aller Nutzer, die sich politisch äußern. Seine Begründung: Plattformen wie X, Facebook oder TikTok seien „im Kern demokratiefeindlich“ und würden gezielt zur Verbreitung von Desinformation genutzt.
Kontrolle über soziale Medien durch die Behörden gewünscht
Weber fordert, dass künftig niemand mehr anonym politische Inhalte posten darf. Jeder Beitrag solle eindeutig einer Person zugeordnet werden können. Damit, so argumentiert er, könne man besser gegen Falschinformationen und Manipulationsversuche aus dem Ausland vorgehen. Kritiker sehen darin jedoch einen massiven Angriff auf die Meinungsfreiheit. Denn Anonymität schützt nicht nur Trolle, sondern auch Menschen, die ihre Meinung aus Angst vor beruflichen oder gesellschaftlichen Konsequenzen nur unter Pseudonym äußern.
Neben der Klarnamenpflicht will Weber auch den Einfluss der Plattformbetreiber auf die öffentliche Meinungsbildung beschneiden. Er bezeichnet die Empfehlungsalgorithmen, die entscheiden, welche Beiträge den Nutzern angezeigt werden, als „gesellschaftliches Gut“. Diese Algorithmen sollten seiner Ansicht nach künftig staatlicher Kontrolle unterliegen. Regierungen könnten damit festlegen, welche Inhalte gefördert und welche zurückgedrängt werden.
Die Vorstellung, dass Behörden oder politische Institutionen die Gewichtung von Inhalten auf sozialen Netzwerken steuern, ruft erhebliche Bedenken hervor. Befürchtet wird eine schleichende Verschiebung von pluralistischer Debatte hin zu gelenkter Kommunikation. Wenn der Staat bestimmt, welche Stimmen sichtbar bleiben, verliert die digitale Öffentlichkeit ihren offenen Charakter.
Weber präsentiert sein Modell als Schutzschild gegen Einflussnahme aus dem Ausland. Doch die Kritik wächst: Wer einmal die Kontrolle über öffentliche Diskurse erhält, kann sie leicht missbrauchen. Aus einem Werkzeug gegen Manipulation könnte so ein Instrument zur Einschränkung unliebsamer Meinungen werden. In einer Demokratie ist das eine gefährliche Gratwanderung.