Für die deutsche Industrie ist die gesicherte Versorgung mit Chips eine Frage des Überlebens, denn ohne Halbleiter stehen die Produktionslinien schnell still. Das haben die im Zuge der Corona-Lockdowns gerissenen Lieferketten in den letzten Jahren eindrucksvoll gezeigt.
Bislang hat sich die Industrie hierzulande auf Lieferungen aus den USA verlassen. Doch die amerikanischen Chip-Lieferanten genießen nicht mehr das uneingeschränkte Vertrauen der deutschen Industrie, denn dieses ist in den letzten Jahren massiv eingebrochen.
In einer neuen Umfrage des Digitalverbands Bitkom gaben 62 Prozent der befragten Unternehmen an, sie hätten kein oder nur ein geringes Vertrauen, dass die USA weiter ein verlässlicher Halbleiter-Lieferant seien. Nur 37 Prozent der Unternehmen haben ein eher großes oder sehr großes Vertrauen. Im Hintergrund steht die Wirtschafts- und Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump.
Eine nationale Lösung wird bevorzugt
Kurzfristig wird das gewachsene Misstrauen keine Auswirkungen auf die Frage haben, aus welchem Land die deutsche Industrie die von ihr benötigten Chips beziehen wird. Die USA werden – mangels Alternativen – auch weiterhin vor China der zweitgrößte Halbleiterlieferant bleiben. Mittel- bis langfristig würden es die deutschen Unternehmen allerdings schon begrüßen, wenn sie ihre Bestellungen nicht mehr in den USA tätigen müssten.
Noch größer ist die Angst vor Lieferunterbrechungen in Fernost, denn 92 Prozent der Unternehmen, die intensiv Halbleiter in ihre Produkte verbauen, sind besorgt angesichts der anhaltenden chinesischen Drohungen gegenüber Taiwan. Dort sitzt mit TSMC nicht nur einer der größten Chiplieferanten, sondern Taiwan ist quasi das Herz der weltweiten Halbleiterherstellung.
Was sich die Firmen wünschen, ist klar: Ein leistungsstarker nationaler Chiphersteller wird von 86 Prozent der Unternehmen als erforderlich für die nationale Sicherheit angesehen. Damit ein solcher schnell realisiert werden kann, befürworten deshalb die meisten Unternehmen staatliche Anreize für den Aufbau einer solchen deutschen oder europäischen Produktionslinie.
Der Weitblick der deutschen Industrie ist bemerkenswert
Diese Einstellung ist hinlänglich bekannt. Wenn die Hütte brennt, erfolgt sofort der Ruf nach dem Staat und seinen Subventionen. Bei den vor zwei oder vier Jahren von Bitkom durchgeführten Umfragen hatte die Mehrheit der Unternehmen jedoch noch angegeben, dass vor allem der Preis das entscheidende Kriterium für die Kaufentscheidung sei.
Oder anders formuliert: Hätte es die nationalen Fertigungsstätten, die jetzt gefordert werden, damals schon gegeben und hätten ihre Preise nur geringfügig über den Preisen in den USA oder in Taiwan gelegen, hätte man dort gekauft und den absehbaren Zusammenbruch der deutschen Hersteller mit einem Schulterzucken quittiert. Das nennt man dann wohl vorausschauendes und weitsichtiges Handeln.