Deutschland und sein einseitiger Blick auf die Zuwanderer

Eine der Besonderheiten der politischen Diskussion in Deutschland ist es, dass diese auch in jenen Fragen als ein hartes Entweder-oder geführt wird, in denen ein geschmeidiges Sowohl-als-auch vermutlich der bessere Weg wäre. Die Diskussion um die Zuwanderung ist einer dieser Bereiche.

Erst kürzlich hat Detlef Scheele, der Chef der Arbeitsagentur, einen jährlichen Zuzug von 400.000 Zuwanderern gefordert. Er sei nötig, um die bereits vorhandenen und die in Zukunft absehbaren Lücken auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu schließen. Dabei hat er insbesondere Akademiker, Pfleger, Klimatechniker und Logistiker im Blick.

Doch selbst wenn in Zukunft Jahr für Jahr die geforderten 400.000 qualifizierten Zuwanderer ins Land strömen sollten, wird die Lücke auf Dauer nicht zu schließen sein, denn sie lässt all jene unberücksichtigt, die Deutschland Jahr für Jahr den Rücken kehren und ins Ausland abwandern.

Qualifizierte gehen, Unqualifizierte kommen

Insbesondere auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise kamen sehr viele Menschen nach Deutschland, die zu den un- und angelernten Kräften zählen. Für sie sieht selbst der Chef der Arbeitsagentur keinen nennenswerten Bedarf in Deutschland. Ihnen gegenüber steht die Gruppe der Auswanderer mit deutschem Pass.

Sie zieht es in die Schweiz, nach Österreich, Großbritannien oder in die USA, also an Standorte mit niedrigen Sprachbarrieren, niedrigeren Steuern und einem Umfeld für Forschung und Entwicklung, das besser ist als jenes, das diese Gruppe in ihrer angestammten Heimat vorgefunden hat.

Gemeinsam ist den Auswanderern, dass sie jung, meist jünger als 32 Jahre, und gut ausgebildet sind. In ihrer neuen Heimat locken bessere Stundenlöhne und ein höherer Lebensstandard. Nur ein Teil von ihnen kommt später wieder zurück. Seit 1991 wandern pro Jahr etwa 24.000 Deutsche mehr aus als zurückkommen. Sie zu halten bzw. sie zumindest zu einer späteren Rückkehr zu bewegen, wäre für Deutschland somit von Vorteil.

Besonders gravierend würde sich dieser Vorteil im Bereich der Naturwissenschaftler und der IT-Spezialisten auswirken, denn die Statistik ist an dieser Stelle gleich doppelt unvorteilhaft: Wer in diesen Bereichen einmal einen gut bezahlten Job im Ausland angetreten hat, kommt deutlich seltener zurück. Auf der anderen Seite weist die Statistik der Arbeitsagentur aus, dass 86.000 Stellen für IT-Fachleute in Deutschland derzeit nicht zu besetzen sind.