Das Berliner Verwaltungsgericht hat der Bundesregierung einen empfindlichen Dämpfer verpasst – und das mitten in einem Bereich, der das Kanzleramt besonders ungern ausgeleuchtet sieht. In einem Eilverfahren entschied das Gericht, dass Bundeskanzler Friedrich Merz nicht länger geheim halten darf, welche Bürgerinnen und Bürger wegen angeblicher Beleidigungen oder ähnlicher Delikte ins Visier der Strafverfolgung geraten sind. Konkret muss offengelegt werden, welche Staatsanwaltschaften Ermittlungen nach § 188 Strafgesetzbuch führen – jenem Paragrafen, der Politikerinnen und Politiker mit einem besonderen strafrechtlichen Schutz vor Kritik ausstattet.
Ein Sonderrecht, das immer stärker unter Beschuss steht
Der Schutzmechanismus des § 188 StGB soll eigentlich Persönlichkeiten des politischen Lebens vor diffamierenden Angriffen bewahren. In der Realität sorgt er jedoch zunehmend für Unbehagen. Kritiker argumentieren seit Langem, dass die Norm dazu genutzt werde, missliebige Stimmen einzuschüchtern und kritische Äußerungen im Keim zu ersticken. Der Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zeigt, wie schwer der Gesetzgeber diesen Tatbestand gewichtet – und wie schnell aus einer zugespitzten Meinung ein strafrechtliches Risiko werden kann.
Brisant sind die Zahlen, die im Verfahren zutage traten: Monatlich wenden sich Behörden in 20 bis 30 Fällen an das Kanzleramt, um abzuklären, ob der jeweilige Politiker Strafantrag stellt oder das Verfahren ablehnt. Bundeskanzler Merz verzichtet offiziell zwar auf eigene Strafanträge, lässt die Ermittlungen aber stillschweigend weiterlaufen. Eine Praxis, die ihm erlaubt, sich als tolerant gegenüber Kritik zu inszenieren, während Ermittlungsbehörden im Hintergrund dennoch tätig werden.
Ein klares Signal zugunsten der Pressefreiheit
Das Gericht ließ keinen Zweifel daran, wie es die Blockadehaltung des Kanzleramts bewertet. Die Bundesregierung hatte versucht, die Herausgabe der Informationen mit angeblichen Gefahren für die Strafrechtspflege, mit fehlender Zuständigkeit oder mit dem Vorwurf der „Ausforschung“ zu verhindern. Keines dieser Argumente hielt der gerichtlichen Prüfung stand. Die Richter stellten eindeutig fest, dass es Aufgabe der Presse sei zu entscheiden, welche Informationen für Recherchen notwendig seien – und nicht des Staates, dies zu beurteilen.
Mit seiner Entscheidung stärkt das Verwaltungsgericht nicht nur Transparenz und Pressefreiheit, sondern setzt auch ein deutliches Zeichen gegen die Praxis, politische Kritik durch strafrechtliche Instrumente im Verborgenen zu kontrollieren. Für das Kanzleramt ist dies mehr als eine juristische Niederlage – es ist ein politischer Denkzettel.