In der Regel sind einzelne Waffen oder Waffensystem nicht kriegsentscheidend. Sie können zwar auf dem Schlachtfeld einer Seite Vorteile verschaffen, doch in der Regel rüstet die Gegenseite schnell nach und gleicht den Vorteil wieder aus. Daher sind für den Ausgang des Krieges meist andere Gründe wie beispielsweise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder der Zugang zu Rohstoffen entscheidend.
Im Krieg in der Ukraine haben in den letzten zwei Jahren vor allem die Drohnen das Schlachtfeld erheblich verändert. Sie sind preiswert und können dennoch teure Systeme wie Kampfpanzer oder Radaranlagen zerstören. Intensiviert hat sich durch ihren Einsatz vor allem der Luftkrieg. Ihn führen beide Kriegsparteien allerdings höchst unterschiedlich.
Während Russland vor allem auf anhaltende Terrorangriffe zur Zermürbung der ukrainischen Bevölkerung setzt und dabei auch in Kauf nimmt, dass viele Zivilisten bei den Angriffen sterben, bemüht sich die ukrainische Seite darum, vor allem Raffinerien und Eisenbahnlinien zu treffen.
Der Gedanke dahinter ist ebenso einfach wie bedeutsam. Ohne Diesel und Benzin rollen keine Panzer und andere Fahrzeuge und ohne eine funktionierende Eisenbahn kann Russland seine Truppen nicht schnell von einem Ort zu einem anderen verlagern und damit neue Schwerpunkte bilden oder seine Truppen mit dem nötigen Nachschub versorgen.
Der Flamingo verändert die Fähigkeiten der Ukraine zur strategischen Kriegsführung erheblich
Mit den bislang einsetzten Drohnen gelangen der Ukraine bereits einige spektakuläre Schläge. Sie ließen Raffinerien in Flammen aufgehen oder zerstörten Werke in denen die russischen Drohnen gefertigt werden. Allerdings sind die eingesetzten Drohnen langsam und sie tragen auch keine allzu großen Sprengkörper. Ein beschädigtes Ziel kann von den Russen daher wieder aufgebaut und erneut in Produktion gebracht werden.
An dieser Stelle kommt nun der Flamingo ins Spiel. Bei ihm handelt es sich um einen in der Ukraine gefertigten Marschflugkörper, dessen Sprengkraft doppelt so groß ist wie die des amerikanischen Tomahawk und dessen Reichweite bei 3.000 Kilometer liegt. Vor allem die Reichweite lässt aufhorchen, denn mit ihr können rund 90 Prozent aller russischen Raffinerien von der Ukraine aus erreicht werden.
Dass die Ukraine diese für sie lohnenden Ziele nach und nach angreifen wird, ist zu erwarten. Haben diese Angriffe Erfolg, bricht möglicherweise nicht nur die russische Energieversorgung zusammen. Auch der Export von Öl und Gas ins Ausland dürfte massiv beeinflusst werden und der russischen Seite wichtige Einnahmen verwehren.
Russlands Fähigkeit, den Krieg weiter zu finanzieren und zu führen, könnte damit so stark beeinträchtigt werden, dass Wladimir Putin erhebliche Zugeständnisse an die ukrainische Seite in Erwägung ziehen muss.