Erdogan und die Zinsen: Die Zeche zahlen am Ende die Türken

Dass Menschen zu einzelnen Themen durchaus sehr unterschiedlicher Meinung sein können, ist normal. Es gehört auch zum Wesen einer funktionierenden Demokratie, dass es möglich sein muss, diese unterschiedlichen Ansichten öffentlich zu äußern. Die Gesellschaft kann dann anschließend, durchaus leidenschaftlich, über die vorgestellten Argumente diskutieren. So weit so gut und so demokratisch.

Ein Problem entsteht einer größeren Personenzahl oder gar der Gesellschaft als Ganzes jedoch leicht, wenn eine Person mit einer expliziten volkswirtschaftlichen Meinung über die wirtschaftliche oder politische Macht verfügt, diese durchzusetzen. Eine falsche Ansicht zu besitzen, wird dann nicht mehr nur zu einem akademischen Problem.

Ein Geschäftsmann, dessen Markteinschätzung sich dauerhaft als falsch erweist, gefährdet nur sich selbst und seine eigenen Finanzen. Ein kleinerer oder größerer Unternehmer, dem dieses Missgeschick widerfährt, gefährdet mittelbar auch die Arbeitsplätze innerhalb seiner Firma und damit auch die wirtschaftlichen Existenzen der betroffenen Mitarbeiter. Ein Politiker mit Zugang zur Macht hält noch mehr Zerstörungspotential in seinen Händen, denn er ruiniert nicht nur eine mehr oder weniger große Anzahl von Mitarbeiter, sondern gleich das gesamte Land.

Ein Volk in wirtschaftlicher Geiselhaft

Dies ist die Problematik, die im Hintergrund mitschwingt, wenn es um die Frage geht, ob die türkische Notenbank die hohe Inflation im Land mit höheren oder niedrigeren Zinsen bekämpfen soll. Während die Volkswirte rund um den Globus zu einer Anhebung der Zinsen raten, fordert Recep Erdogan von den Notenbankgouverneuren die Senkung der Zinsen.

Für den türkischen Präsidenten steht die Förderung der Wirtschaft im Vordergrund. Um sie voranzutreiben, braucht er niedrige Zinsen. In türkischer Lira gerechnet, geht die Rechnung auf, denn die Wirtschaft konnte im ersten Quartal real um sieben Prozent wachsen. Auf US-Dollar- oder Euro-Basis ergibt sich jedoch ein ganz anderes Bild.

In diesen Währungen ist die Wirtschaftskraft des Landes pro Kopf seit 2013 um fast 40 Prozent zurückgegangen. Die Inflation im Land liegt bei beängstigenden 17 Prozent und jede neue Forderung des türkischen Präsidenten nach niedrigeren Zinsen beantworten die Devisenmärkte mit einem weiteren Kurssturz der türkischen Lira.

Solange dieser Teufelskreislauf nicht durchbrochen wird, wird die Verarmung großer Teile der türkischen Bevölkerung weitergehen, denn es bringt herzlich wenig, wenn die Wirtschaft der Türkei in Lira gerechnet ordentlich wächst, die Lira selbst aber überproportional an Kaufkraft verliert.