Nach dem vor einigen Tagen bekannt wurde, dass einer der HoGeSa-Gründer V-Mann war und auch bei der Gründung der Rechtsradikalen Bewegung noch enge Verbindung zum Verfassungsschutz hatte, tauchen nun neue Indizien für eine Agent Provocateur-Politik des Staates auf: Der Kölner Attentäter könnte V-Mann gewesen sein.
Sollte in beiden Fällen eine oppositionelle außerparlamentarische Opposition in die Radikalisierung getrieben werden, um bürgerliche Schichten vor einem Anschluss abzuschrecken?
„War der Attentäter, der die inzwischen gewählte Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Messer schwer verletzt hatte, V-Mann des Verfassungsschutzes? Grüne und Linkspartei haben die Bundesregierung aufgefordert, diese Frage zu beantworten. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck wies darauf hin, daß die Akte des Mannes bei der Bundesagentur für Arbeit als „geheim“ eingestuft worden sei. Der Kölner Express berichtet zudem, der Angreifer sei beim Jobcenter von „Melde– und anderen Pflichten“ befreit gewesen. „Wir erwarten von der Bundesregierung, daß alle Informationen der Landesämter für Verfassungsschutz und des Bundesamts für Verfassungsschutz offengelegt werden“, sagte Beck der Bild-Zeitung. Zugleich stellte die Partei eine Anfrage an die Bundesregierung, in der es heißt: „Gab es aktuell oder in der Vergangenheit Verbindungen zwischen den Verfassungsschutzbehörden des Bundes oder der Länder und Frank S.“?“berichtet die Junge Freiheit.
„Die NRW-Linkspartei forderte Innenminister Jäger (SPD) auf, offenzulegen, ob es Kontakte von Frank S. zum Verfassungsschutz gab. Landessprecher Ralf Michalowsky: „Dass der Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über einen mehrfach vorbestraften Nazi mit eindeutiger Vorgeschichte haben will, ist nicht glaubhaft.““ berichtet BILD.
Vor einigen Tagen kam heraus, dass der inzwischen an Krebs verstorbene Sokol, zum Zeitpunkt der Hooligans-gegen-Salafisten-Gründung seit mehreren Jahren Mitarbeiter der Verfassungsschutzes war und auch bezüglich der HoGeSa-Organisation, massenweise E-Mails und Informationen an den Inlandsgeheimdienst weiterleitete. Spiegel-Online stellt daher fest: „Wer die Korrespondenz von Sokol verfolgt, hat nicht den Eindruck, dass dieser mit Konsequenzen seitens des Staates rechnete.“ Vielmehr ergab sich der Eindruck, der Staat selbst hätte Einfluss auf die zunehmende Radikalisierung genommen, die wiederum Oppositionsspaltung zur Folge hatte.
Dies entspricht der Vorgehensweise des „Agent Provocateur“. Als Agent Provocateur werden solche provozierenden Staatsdiener bezeichnet, die üblicherweise im Auftrag des Staates einen oder mehrere Dritte zu einer gesetzeswidrigen Handlung provozieren sollen. Im weiteren Sinne wird damit auch ein Handeln bezeichnet, das durch die gezielte Vortäuschung oder auch Provokation einer ruchbaren Handlung die Stärkung der eigenen Position und die Legitimation für einen Eingriff anstrebt. Es sind Fälle bekannt, auch in Deutschland, bei denen solche Agenten rechtswidrig eingesetzt wurden, etwa zur verdeckten Störung von sozialen Bewegungen und der gewalttätigen Eskalation von Demonstrationen.
So zum Beispiel Peter Urbach. Er war ein V-Mann des Berliner Verfassungsschutzes, lieferte Ende der 1960er Jahre Bomben und Waffen an Personen aus der Berliner Studentenbewegung, die später zu den Gründungsmitgliedern der Rote Armee Fraktion gehörten. Urbach wurde vor allem durch seinen Einsatz bei einer Demonstration vor dem Gebäude des Springer-Konzerns am 11. April 1968 bekannt, die als Reaktion auf das Attentat auf Rudi Dutschke stattfand. Er versorgte die Demonstranten aus einem großen Weidenkorb mit etwa einem Dutzend zündfertiger Molotowcocktails. Dies führte mit zur gewalttätigen Eskalation der Demonstration und zum Abbrennen mehrerer Lieferwagen des Verlags. Die Ereignisse wurden als Osterunruhen bekannt und zählen bis heute zu den schwersten Ausschreitungen in der Geschichte der Bundesrepublik. Außerdem besorgte er eine Bombe für einen Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus durch die Tupamaros West-Berlin 1968. Er erhielt nach seiner Enttarnung vom Verfassungsschutz eine neue Identität im Ausland.
Bei den Protesten am 6. Juni 2007 gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm bei Rostock hat die Polizei als Schwarzer Block verkleidete Polizeibeamte in eine Demonstration geschleust. Nachdem andere Demonstranten misstrauisch wurden, haben sich drei der Beamten hinter die Polizeireihen zurückgezogen, dem Vierten wurde die Vermummung heruntergezogen und er wurde als Mitglied einer Bremer Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit erkannt.Allein die Anwesenheit dieser verkleideten Polizeibeamten ist gesetzwidrig, da sich nach § 18 bzw. § 12 des bundesdeutschen Versammlungsgesetzes Polizeibeamte, die auf Demonstrationen entsandt wurden, der Demonstrationsleitung zu erkennen geben müssen.
Immer wieder gibt es Diskussionen über von der Polizei zur Eskalation von Demonstrationen eingeschleuste Agents Provocateurs, wie z. B. bei den Demonstrationen gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm, möglicherweise gegen Stuttgart 21 oder bei den Blockupy-Protesten. In einem Interview äußerte ein anonym bleiben wollender Polizist.
„Ich weiß, dass wir bei brisanten Großdemos verdeckt agierende Beamte, die als taktische Provokateure, als vermummte Steinewerfer fungieren, unter die Demonstranten schleusen. Sie werfen auf Befehl Steine oder Flaschen in Richtung der Polizei, damit die dann mit der Räumung beginnen kann.“
Praktisch ist der Einsatz solcher Agent Provocateur nicht nur für die Polizei. Auch die Politik kann daraus Vorteile ziehen. Unliebsame Protestbekundungen können so für die daheimgebliebene Mehrheitsbevölkerung schnell als „gewalttätig“ abgestempelt werden, ohne dass eine weitreichende inhaltliche Diskussion stattfindet. Auch bei HoGeSa wurde dieses Prinzip benutzt. „Teile und Herrsche“ als Staatsauftrag.