Die Geheimdienste CIA sowie die deutschen Ableger haben jahrelang mehr als 100 Nationen ausspioniert. Dabei bedienten sie sich eines Schweizer Unternehmens, der Crypto AG. Diese hatte sich darauf spezialisiert, Gespräche zu verschlüsseln, heißt es. Damit wurde das Unternehmen im Anschluss an den 2. Weltkrieg sogar zum Marktführer von Geräten, die Verschlüsselungstechnologie nutzen. Bis in die letzten Jahre hinein wurden deren Produkte in über 120 Nationen verkauft – dies war ein Millionengeschäft.
Im Jahr 1978 fing die Elektroingenieurin Mengia Caflisch bei der Crypto AG an. Sie stellte fest, dass die bei Zug hergestellten Verschlüsselungsgeräte Sicherheitslücken hatten. Die Firma hatte sie an den Iran oder Saudi-Arabien vertrieben. Allerdings war der Ingenieurin nicht bekannt, dass diese scheinbaren Fehler in voller Absicht auftauchten – als Einfallstor für die oben genannten Geheimdienste. Die Ingenieurin war daher irritiert und blieb mit ihrem Fragen nicht allein. So kam in den 90er Jahren sogar in aller Öffentlichkeit der Verdacht auf, die Crypto AG könne mit den westlichen Geheimdiensten zusammenarbeiten. Dies konnte indes nicht bewiesen werden.
BND und CIA machen gemeinsame Sache
Jetzt aber kann dieser Verdacht belegt werden. So haben Journalsten vom SRF (Schweiz), aus Deutschland (ZDF) sowie von der „Washington Post“ Beweise erbracht, wonach der BND als deutscher Geheimdienst und das US-Pendant CIA zusammen unbekannt die Crypto AG regelrecht besaßen und als Eigentümer auch führten. Damit wurden die oben beschriebenen Verschlüsselungstechnologien mit heimlichem Zugang verkauft – an mehr als 100 Nationen.
Der Betrug war besonders lohnenswert. Sie erhielten nicht nur Millionen Schweizer Franken für die Verschlüsselungsgeräte, sondern kamen auch zu wichtigen Informationen. Das jahrzehntelange Arrangement, das zu den bestgehüteten Geheimnissen des Kalten Krieges gehört, wurde nun offengelegt. Die Operation, die zunächst unter dem Codenamen Thesaurus und später Rubicon bekannt ist, zählt zu den kühnsten in der Geschichte der CIA.
Die Schweizer Regierung hat nach den Enthüllungen nun Untersuchungen über die Firma Crypto AG angeordnet. „Es war der Geheimdienst-Coup des Jahrhunderts“, so ein CIA-Bericht. „Ausländische Firmen zahlten den USA und Westdeutschland gutes Geld für das Privileg, ihre geheimsten Mitteilungen von bis zu fünf ausländischen Ländern lesen zu lassen.“ Die Erwähnung von fünf Länder ist wahrscheinlich ein Verweis auf das Five-Eyes-Abkommen zum elektronischen Informationsaustausch zwischen den USA, Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland.
Der langjährige Erfolg der CIA dürfte den aktuellen Verdacht der USA auf Geräte der chinesischen Firma Huawei verstärken. Weder China noch die Sowjetunion kauften Crypto-Verschlüsselungsgeräte der Firma im Schweizerischen Zug. In der Zwischenzeit hat die Schweiz den Auslandsverkauf von Crypto-Geräten ausgesetzt.
Auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit verschafften die Operationen Thesaurus und Rubicon den USA einen mächtigen nachrichtendienstlichen Vorsprung. Als Anwar Sadat und Menachem Begin 1978 in Camp David von dem ehemaligen Präsidenten Jimmy Carter empfangen wurden, um ein ägyptisch-israelisches Friedensabkommen auszuhandeln, konnten die USA die gesamte Kommunikation von Sadat mit Kairo überwachen.
Der US-Geheimdienst konnte auch libysche Beamte belauschen, die sich gegenseitig zum Bombenanschlag auf eine Berliner Diskothek 1986 gratulierten. Der Geschichte der CIA zufolge haben die USA während des Falkland-Krieges abgefangene Kommunikationen über argentinische Militärpläne an Großbritannien weitergeleitet und dabei die Abhängigkeit Argentiniens von Crypto-Verschlüsselungsgeräten ausgenutzt.
Die CIA und der BND vereinbarten 1970 den Kauf von Crypto, aber aus Angst vor einer Enthüllung verkaufte der BND Anfang der 1990er Jahre seinen Anteil an dem Unternehmen an die USA. Nach Angaben der Washington Post setzte der CIA die Ausnutzung des Unternehmens bis 2018 fort, als er die Vermögenswerte des Unternehmens an zwei Privatunternehmen verkaufte.
Die Sicherheit der Crypto-Geräte begann Verdacht zu erregen, nachdem Ronald Reagan öffentlich behauptete, dass die USA libysche Beamte abgefangen hätten, die an dem Bombenanschlag auf die Berliner Diskothek La Belle 1986 beteiligt waren. Der iranische Geheimdienst wurde misstrauisch und befragte einen Crypto-Verkäufer, Hans Buehler, aber er unternahm nichts, bis er etwa sechs Jahre später verhaftet wurde, als er gerade aus Teheran ausfliegen wollte. Der Iran ließ ihn erst wieder frei, nachdem sich das Unternehmen bereit erklärt hatte, mit Mitteln des BND 1 Million Dollar zu zahlen.
Die meisten Mitarbeiter von Crypto wussten nichts von dem Geheimnis der Firma, aber 1977 wurde ein Ingenieur, der den Algorithmen des Unternehmens misstrauisch gegenüberstand, entlassen, nachdem er nach Damaskus gereist war und die Schwachstellen in den Produkten der Firma, die von der syrischen Regierung betrieben werden, behoben hatte.
Noch vor längerer Zeit hatte Deutschland selbst sich darüber beschwert, vom „Freund“ USA ausspioniert worden zu sein. Offensichtlich hat die Regierung dümmer getan, als sie selbst ist – wie Sie hier sehen.