Drosten-Vorgänger richtet sich gegen Regierung

Merkel

Der Vorgänger von Christian Drosten, Prof. Dr. Detlev Krüger, hat sich in einem offenen Brief gegen die Corona-Politik der Bundesregierung gestellt. Krüger war Leiter des Instituts für Virologie, bevor Drosten kam. Gemeinsam mit Prof. Dr. Klaus Stöhr, ehemaligem Leiter des Pandemievorbereitungsprogramms der WHO in Genf, hat Krüger einen offenen Brief verfasst. Bereits im März sagte Stöhr dem „Focus“, dass sich „die Regierung auf das falsche Berater-Konzept stütze“.

Inzidenz sollte nicht einzige Grundlage sein

Die beiden Experten warnen vor der Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), die bundesweit ein einheitliches Vorgehen gegen die sogenannte Corona-Pandemie zum Ziel hat. Sie raten davon ab, die „7-Tages-Inzidenz“ als alleinige Bemessungsgrundlage für antipandemische Schutzmaßnahmen zu definieren. Als „Inzidenz“ bezeichnet das Robert-Koch-Institut die Zahl der Personen, bei denen unabhängig von einer Erkrankung RNA-Partikel des SARS-CoV-2-Virus gefunden wurden – pro 100.000 Menschen.

Der Wert soll das Infektionsgeschehen in der Bevölkerung feststellen, obwohl die Tests aufgrund der hohen falsch-positiv-Raten von Experten als hochproblematisch angesehen werden. Selbst die WHO empfahl, Tests nur dann zu machen, wenn eine symptomatische Erkrankung vorliegt und bei einem positiven Testergebnis sicherheitshalber noch einen zweiten Test zu machen – aufgrund der hohen Zahl falsch-positiver Tests.

Prof. Krüger und Prof. Stöhr sind der Ansicht, dass nicht die Inzidenz die Bewertungsgrundlage für die Auswahl von Schutzmaßnahmen sein sollte, sondern die Häufigkeit der Erkrankungen und ihrer jeweiligen Schwere, also insgesamt die Krankheitslast. Die Krankheitslast berücksichtigt Hospitalisierungen, krankheitsbedingte Arbeitsausfälle und Behinderungen als Resultat einer Corona-Erkrankung.

Die in der Änderung des Infektionsschutzgesetzes vorgesehene 7-Tages-Inzidenz könne nicht differenzieren, wo Infektionen auftreten würden. Eine gleich hohe Inzidenz könne dramatisch unterschiedliche Bedeutung haben, im Hinblick auf Lebensräume und Altersgruppen, so Stöhr und Krüger. Die Inzidenz berücksichtige weder die Dynamik noch die Lage in den verschiedenen Landkreisen.

Die Folgen einer 7-Tages-Inzidenz wären bundesweit massive Maßnahmen wie die Einschränkung der Freiheitsrechte, gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Kultur sowie auf die körperliche und seelische Gesundheit. Die Novellierung des IfSG sei eine Verletzung der Verhältnismäßigkeit wie bereits in Bundestagsanhörungen am 12.11.2020 und 22.02.2021 erläutert, so die Verfasser des Schreibens.