Importierte Inflation: Oder wenn Deutsche sich plötzlich wie Türken fühlen

Eine hohe Inflation war für viele Deutsche lange Zeit ein Fremdwort bzw. das Problem anderer Länder. In der Zwischenzeit haben aber auch die Deutschen reichlich Grund, sich um die steigende Inflation zu sorgen, denn besonders für Waren, die aus dem Ausland bezogen werden müssen, steigen die Preise steil an.

Einfuhrpreise, die sich um 16,5 Prozent verteuern und damit so stark steigen wie zuletzt in den frühen 1980er Jahren, treffen mehr oder weniger jeden, denn ohne Energie wird keiner über den nahenden Winter kommen und derzeit sind es gerade die Energiepreise, die die Teuerung besonders anheizen.

Morgens nur noch kalt duschen, weil das Erdgas auf Jahressicht um 178 Prozent teurer geworden ist und der müde Kreislauf mit dem kalten Wasser wesentlich schneller auf Touren kommt? Oder am Frühstückstisch auf Kaffee und Brötchen verzichten, weil die Kaffeebohnen um gut ein Drittel und das Getreide um ein Viertel teurer geworden ist?

Die importierte Inflation wird die Preise treiben

Steigende Rohstoffpreise werden zwar nicht die mit ihnen gefertigten Endprodukte im gleichen Maß steigen lassen, doch ihnen entgehen kann gerade ein rohstoffarmes Land wie die Bundesrepublik auf Dauer nicht. Es gibt keine echten Alternativen und die Hersteller werden ihre gestiegenen Kosten irgendwann an die Kunden weitergeben müssen.

In der Ökonomie spricht man an dieser Stelle von der Gefahr einer „importierten Inflation“. Sie war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder ein Thema. Nach der Jahrhundertwende ließ die verstärkte Globalisierung das Preisniveau durch den schärferen Wettbewerb eher sinken. Deshalb dürfte die steigende Inflation gerade für die jüngeren Jahrgänge eine völlig neue Erfahrung sein.

Bislang wurden zweistellige Teuerungsraten eher mit Schwellenländern wie der Türkei in Verbindung gebracht, deren Währungen kollabierten. Doch auch ohne eine massiv abwertende Währung hat nun auch die Eurozone ein massives Inflationsproblem. In den letzten Monaten sah es so aus, als sei die steigende Inflation primär den Basiseffekten, also der zeitweiligen Mehrwertsteuersenkung im Juli 2020 oder den damals besonders niedrigen Energiekosten geschuldet.

Inzwischen stellt sich die Lage anders dar, denn die höheren Einfuhrpreise werden von den Unternehmen weitergegeben werden müssen. Alles andere lassen die Margen auf Dauer nicht zu. Hinzu kommen die ehrgeizigen Klimaziele der Europäischen Union. Auch sie kosten Geld, welches die Preise noch weiter steigen lassen wird.

Gekommen um zu bleiben?

Damit verdichten sich die Hinweise, dass die Inflation nicht vorübergehend ist, wie die Europäische Zentralbank derzeit noch annimmt, sondern gekommen ist, um zu bleiben. Dieser Ansicht ist auch Thorsten Polleit, der Chefvolkswirt der Degussa. Für ihn ist die Inflation keine Naturkatastrophe, sondern eine erwartbare Konsequenz der extrem lockeren Geldpolitik der Zentralbanken.

Seit Jahren versuchten die Notenbanken mit ihrer Geldpolitik die Inflation anzuheizen, um die gigantischen Schuldenberge zu entwerten und die maroden Staatsfinanzen zu sanieren. Das gelang nur eingeschränkt. Die Aktienkurse und die Häuserpreise explodierten, doch die auf die Verbraucherpreise wirkte sich das viele Geld aus dem Nichts zunächst noch nicht aus.

Nun könnte der lange gerufene Inflations-Geist die Flasche endlich verlassen haben und viele Sparer, deren Ersparnisse entwertet werden, treibt die Sorge um, dass die Europäische Zentralbank keine Eile haben wird, den entwichenen Geist mittels höherer Zinsen wieder in die Flasche zurückzubringen.