Früherer EZB-Chefvolkswirt: Deutschland hat Souveränität über Staatshaushalt verloren

Die Schulden in Deutschland steigen. Der Staat hat für das Jahr 2020 wie auch für das Jahr 2021 seine Schuldenbremse außer Kraft gesetzt. Damit hat die Regierung die Schulden auf Bundesebene auf Rekordhöhe getrieben. Der frühere Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, EZB, Jürgen Stark, hat nun „Tichys Einblick“ gegenüber davor gewarnt, dass die Souveränität für den Staatshaushalt bei uns verloren gegangen sein könne. Demzufolge würde er nicht mehr ausschließen können, dass es zu einem Crash kommt.

Unweigerlich eine Inflation

Stark geht sogar vergleichsweise ins Detail. Seiner Meinung nach würden die Maastricht-Kriterien keine Rolle mehr spielen. Diese regulieren die mögliche Verschuldung der Staaten beispielsweise auf 60 % des jährlichen Bruttoinlandsproduktes. Er jedenfalls halte eine Inflation für unausweichlich.

Die EU-Staaten würden sich über diesen Weg entschulden. „Nach meinem Eindruck haben wir die Erosion der nationalen Souveränität auf dem Gebiet der Haushaltspolitik längst“, so lässt er wissen.

Bei jedem „euphemistisch als EU-Integrationsfortschritt deklarierten Vorgang“, so etwa den verschiedenen Rettungsfonds aus dem Jahr 2010, „die später dann in den dauerhaften Stabilitätsmechanismus umgewandelt wurden“, würde es sich um eine Beschränkung der jeweiligen nationalen Souveränitäten in Bezug auf den Staatshaushalt handeln.

Die EZB wird dabei besonders zum Gegenstand seiner Kritik. Die Zentralbank würde bei ihrem Anleihekauf keine einheitliche Geldpolitik mehr betreiben. Dies sei der „entscheidende Schritt in die monetäre Staatsfinanzierung, die vertraglich verboten ist.“

Die Staatsverschuldung würde nun noch befeuert, so Stark. Im März seien zunächst 750 Milliarden Euro ausgegeben worden, um Anleihen aufzukaufen, im Juni dann weitere 600 Milliarden Euro sowie im Dezember schließlich erneut 500 Milliarden Euro. Deshalb wolle er den Crash nicht herbeireden, könne ihn allerdings auch nicht ausschließen.